Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
beim
Liebemachen überrascht hatte, hatte er das Leben entweiht;
jetzt, bei den beiden Leichnamen, die für alle Zeiten
unbeachtet in ihrer Umarmung hätten bleiben sollen, den Tod.
Vielleicht lag es an diesem Schuldgefühl, daß er sich nicht an
den Untersuchungen beteiligen wollte, die Jacomuzzi mit
seinen Leuten vom Erkennungsdienst und der Gerichtsarzt
Dottor Pasquano sofort einleiteten. Montalbano saß auf dem
Felsblock, der der Waffenhöhle als Tür gedient hatte, und
hatte schon fünf Zigaretten geraucht, als Pasquano, der sehr
nervös war, nach ihm rief.
»Wo bleibt denn der Giudice?«
»Das fragen Sie mich?«
»Wenn er nicht bald kommt, geht hier alles vor die
Hunde. Ich muß die Leichen nach Montelusa bringen und kühl
lagern. Man kann ja praktisch zuschauen, wie sie zerfallen.
Was soll ich denn jetzt machen?«
»Rauchen Sie eine Zigarette mit mir«, versuchte
Montalbano ihn zu beruhigen.
Giudice Lo Bianco traf eine Viertelstunde später ein, als
der Commissario bereits weitere zwei Zigaretten geraucht
hatte.
Lo Bianco warf einen flüchtigen Blick auf die Toten; in
Anbetracht der Tatsache, daß sie nicht aus der Zeit von König
Martin dem Jüngeren stammten, sagte er nur kurz angebunden
zum Gerichtsarzt: »Machen Sie damit, was Sie wollen, das ist
Schnee von gestern.«
»Televigàta« wußte gleich, nach welcher Manier die
Geschichte zu präsentieren war. In den Nachrichten um
zwanzig Uhr dreißig erschien als erstes das aufgeregte Gesicht
Prestìas, der eine sensationelle Story ankündigte, die, wie er
sagte, »der genialen Intuition zu verdanken ist, die
Commissario Salvo Montalbano aus Vigàta zu einer
einzigartigen Figur unter den Ermittlern der Insel – und warum
nicht? – ganz Italiens macht«. Er erinnerte an weitere
Leistungen des Commissario, an die dramatische Festnahme
des flüchtigen Tano u Grecu, des brutalen Mafiabosses, und
die Entdeckung der Grotte im Crasticeddru, die als
Waffenlager gedient hatte. Eine Sequenz der Pressekonferenz
anläßlich Tanos Verhaftung wurde eingeblendet, bei der ein
verstörter, stammelnder Typ, der so hieß wie Montalbano und
ebenfalls Commissario war, mühsam ein paar Worte
herauswürgte. Prestìa erzählte weiter, wie der hervorragende
Ermittler zu der Überzeugung gelangt war, daß sich hinter der
Waffenhöhle eine weitere Höhle befinden mußte, die mit der
ersten verbunden war.
»Ich«, sagte Prestìa, »vertraute auf die Intuition des
Commissario und begleitete ihn zusammen mit meinem
Kameramann Schirirò Gerlando.«
Und dann stellte Prestìa mit Orakelstimme einige Fragen:
Hatte der Commissario ungeahnte paranormale Kräfte? Wie
war er darauf gekommen, daß sich hinter ein paar über die
Jahre schwarz gewordenen Steinen eine Tragödie aus
vergangenen Zeiten verbarg? Verfügte der Commissario etwa
über den Röntgenblick eines Superman?
Montalbano, der die Sendung zu Hause verfolgte und seit
einer halben Stunde keine saubere Unterhose finden konnte,
wo doch irgendwo eine sein mußte, sagte bei dieser letzten
Frage Prestìas, er solle ihn am Arsch lecken. Während die
eindrucksvollen Bilder von den Leichen in der Grotte über den
Bildschirm liefen, legte Prestìa voller Überzeugung seine
These dar. Er wußte nichts von dem Loch in der Schläfe des
Mannes und sprach daher von einem Tod aus Liebe. Seiner
Meinung nach hatten sich die beiden Liebenden, deren
Leidenschaft von ihren Familien nicht geduldet wurde, in der
Grotte eingeschlossen, den Durchgang zugemauert und sich
dem Hungertod anheimgegeben. Sie hatten ihre letzte Zuflucht
mit einem alten Teppich und einem Krug mit Wasser
eingerichtet und eng umschlungen auf den Tod gewartet. Von
der Schale mit den Münzen sagte er nichts, sie paßte nicht in
das Bild, das er sich ausmalte. Die beiden, fuhr Prestìa fort,
hätten nicht identifiziert werden können, die Geschichte liege
mindestens fünfzig Jahre zurück. Dann berichtete ein anderer
Journalist von den Ereignissen des Tages: Ein sechsjähriges
Mädchen wurde von einem Onkel väterlicherseits vergewaltigt
und mit einem Stein erschlagen, in einem Brunnen wurde eine
Leiche gefunden, eine Schießerei in Merfi mit drei Toten und
vier Verletzten, der Tod eines Arbeiters, ein Zahnarzt war
verschwunden, der Selbstmord eines Händlers, den Wucherer
ruiniert hatten, die Verhaftung eines Gemeinderats aus
Montevergine wegen Erpressung und Korruption, der
Selbstmord des Präsidenten
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