Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
Firma Brancato behaupten,
sie habe nichts damit zu tun, sie wisse nichts von diesen
Schiebereien, der Lastwagen gehöre ihr nicht und sie sei
vielmehr selbst Opfer eines Diebstahls. Der gestohlene Laster
beginnt seine Tour, bringt die – wie soll ich sagen – sauberen
Kartons in die verschiedenen Supermärkte, die er zu beliefern
hat, und macht sich dann auf den Weg nach Vigàta. Doch
bevor er dort ankommt, hält er mitten in der Nacht am
Crasticeddru und lädt die Waffen an der Grotte ab. Am frühen
Morgen – so hat es mir Direttore Lacommare erklärt – liefern
sie die letzten Kolli an Ingrassias Supermarkt und fahren dann
wieder ab. Auf dem Rückweg nach Catania wird der
gestohlene Lastwagen gegen den echten Firmenlaster
ausgetauscht, und der fährt zur Zentrale zurück, als hätte er
seine Tour erledigt. Wahrscheinlich stellen sie jedesmal den
Kilometerzähler entsprechend ein. Diesen kleinen Scherz
treiben sie jetzt schon seit drei Jahren, denn Jacomuzzi hat uns
gesagt, daß die Grotte vor etwa drei Jahren eingerichtet
wurde.«
»Was Sie mir da berichten«, sagte der Questore, »ist von
der üblichen Vorgehensweise her völlig einleuchtend. Aber
das Theater mit dem fingierten Diebstahl verstehe ich immer
noch nicht.«
»Sie waren praktisch dazu gezwungen. Erinnern Sie sich
an diese Schießerei zwischen einer Carabinieristreife und drei
Ganoven in der Gegend von Santa Lucia? Ein Carabiniere
wurde verletzt.«
»Ich erinnere mich, aber was hat das damit zu tun?«
»Die lokalen Radiosender brachten die Nachricht gegen
einundzwanzig Uhr, und da war der Laster gerade auf dem
Weg zum Crasticeddru. Santa Lucia ist höchstens zwei, drei
Kilometer vom Ziel der Schmuggler entfernt, die die Meldung
im Radio gehört haben müssen. Es wäre nicht klug gewesen,
an einer einsamen Stelle irgendeiner Streife zu begegnen,
inzwischen war ja jede Menge Polizei am Schauplatz der
Schießerei. Also beschlossen sie, nach Vigàta weiter zufahren.
Sie rechneten zwar damit, unterwegs in eine Kontrolle zu
geraten, aber das war in diesem Augenblick das kleinere Übel,
und sie hatten gute Chancen, ungeschoren davonzukommen.
So war es dann auch. Sie kommen also viel zu früh an
und erzählen die Geschichte mit dem geschlossenen
Supermarkt in Trapani. Ingrassia, der über den Zwischenfall
natürlich informiert war, läßt entladen, und die Leute
behaupten, nach Catania zurückzufahren. Sie haben noch die
Waffen an Bord, die Kisten, die für den Supermarkt in Trapani
bestimmt seien, wie sie Direttore Lacommare erzählen. Der
Laster wird schließlich unweit von Vigàta auf einem
Grundstück Ingrassias oder irgendeines Komplizen versteckt.«
»Aber ich frage Sie noch mal: Warum sollten sie den
Diebstahl simulieren? Von da, wo sie den Laster versteckt
hatten, konnten sie den Crasticeddru leicht erreichen, ohne
noch mal nach Vigàta fahren zu müssen.«
»Das mußten sie eben doch. Wenn sie mit fünfzehn Kolli
ohne Begleitpapiere an Bord von den Carabinieri, von der
Guardia di Finanza oder sonstwem angehalten worden wären,
hätten sie Verdacht erregt. Das wäre eine schöne Pleite
gewesen, wenn sie gezwungen worden wären, einen Karton zu
öffnen. Sie mußten die Kisten, die Ingrassia abgeladen hatte
und natürlich nicht öffnen lassen wollte, unbedingt wieder
holen.«
»Langsam beginne ich zu verstehen.«
»Irgendwann nachts kommt der Laster zum Supermarkt
zurück. Der Nachtwächter kann die Männer und den Laster
gar nicht wiedererkennen, weil er am Abend zuvor noch nicht
im Dienst war. Sie laden die noch nicht geöffneten Kolli auf,
fahren zum Crasticeddru, laden die Kisten mit den Waffen ab,
kehren zurück, lassen den Laster auf dem Gelände der
Tankstelle stehen, und die Sache ist erledigt.«
»Entschuldigen Sie, aber warum haben sie sich die
gestohlene Ware nicht vom Hals geschafft und sind dann nach
Catania weitergefahren?«
»Das ist eben das Geniale daran: Indem sie den Laster
anscheinend mit der gesamten gestohlenen Ware finden
lassen, lenken sie die Ermittlungen auf eine falsche Fährte.
Wir müssen zwangsläufig von einer nicht eingehaltenen
Vereinbarung ausgehen, von einer Drohung, einer Warnung
wegen nicht gezahlter Schutzgelder. Sie zwingen uns
sozusagen, auf einer niedrigeren Ebene zu ermitteln, auf der
Ebene, die auf unserer Insel leider fast zur Tagesordnung
gehört. Und Ingrassia spielt seine Rolle hervorragend und
erzählt uns die blöde
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