Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
der Provinz, dem Hehlerei
vorgeworfen wurde, ein Leichenfund im Meer...
Montalbano fiel vor dem Fernseher in einen tiefen Schlaf.
»Pronto, Salvo? Hier ist Gegè. Hör zu, und quatsch mir
nicht wieder dauernd dazwischen. Ich muß dich sehen, ich hab'
dir was zu sagen.«
»Va bene, Gegè, gleich heute abend, wenn du willst.«
»Ich bin nicht in Vigàta, ich bin in Trapani.«
»Wann dann?«
»Was ist heute für ein Tag?«
»Donnerstag.«
»Paßt dir Samstag um Mitternacht am üblichen
Treffpunkt?«
»Samstag abend bin ich zwar zum Essen eingeladen, aber
ich komme trotzdem, Gegè. Warte auf mich, falls es ein
bißchen später wird.«
Der Anruf von Gegè, dessen Stimme so besorgt geklungen
hatte, daß Montalbano die Lust auf ein Späßchen vergangen
war, hatte ihn rechtzeitig geweckt. Es war zehn Uhr, er
schaltete »Retelibera« ein. Nicolò Zito – intelligentes Gesicht,
rote Haare und Ideen – eröffnete die Nachrichten mit dem Tod
eines Arbeiters in Fela, der bei einer Gasexplosion bei
lebendigem Leib verbrannt war. Anhand mehrerer Beispiele
zeigte Zito auf, daß mindestens neunzig Prozent der
Unternehmer sich einen feuchten Dreck um die
Sicherheitsvorschriften scherten. Dann ging er zu der
Verhaftung der Staatsdiener über, denen Veruntreuung in
mehreren Fällen vorgeworfen wurde, und erinnerte die
Zuschauer bei dieser Gelegenheit daran, daß die verschiedenen
Regierungen, die jeweils an der Macht waren, mit
Gesetzentwürfen gegen die laufenden Säuberungen nicht
durchgekommen seien. Sein drittes Thema war der Selbstmord
des Händlers, den seine Schulden bei einem Wucherer
erdrückt hatten, und er verurteilte die Maßnahmen der
Regierung gegen den Wucher als völlig unzureichend. Warum,
so fragte er, unterschieden diejenigen, die gegen diese Plage
ermittelten, so fein säuberlich zwischen Wucher und Mafia?
Wieviele Methoden der Geldwäsche gab es? Schließlich kam
er auf die beiden Leichen in der Grotte zu sprechen, aber er tat
es aus einem besonderen Blickwinkel, indem er wegen der Art
und Weise, wie sie die Nachricht präsentiert hatten, indirekt
gegen Prestìa und »Televigàta« polemisierte. Jemand, sagte er,
habe einmal gemeint, Religion sei Opium fürs Volk,
heutzutage müsse man feststellen, daß das wahre Opium das
Fernsehen sei. Zum Beispiel: Aus welchem Grund stellte
jemand diesen Fund als den verzweifelten Selbstmord eines
Liebespaares dar, das an seiner Liebe gehindert wurde?
Welche Anhaltspunkte erlaubten wem auch immer, eine
solche These aufzustellen? Die beiden waren nackt gefunden
worden: Wo waren ihre Kleider? In der Grotte gab es nicht die
geringste Spur einer Waffe. Wie sollten sie sich getötet haben?
Waren sie freiwillig verhungert? Eh, via! Warum hatte der
Mann eine Schale mit Münzen neben sich, die heute nicht
mehr im Umlauf, aber damals gültig waren: etwa als Fährgeld
für Charon? In Wahrheit, versicherte er, wollte man aus einem
mutmaßlichen Verbrechen einen sicheren Selbstmord, einen
romantischen Selbstmord machen. Und in unseren düsteren
Tagen mit dem wolkenverhangenen Horizont, schloß er,
bastelte man sich eine solche Story zusammen, um die Leute
zu betäuben, um das Interesse von den eigentlichen Problemen
auf eine Story à la Romeo und Julia zu lenken, die allerdings
der Feder eines Drehbuchautors von Seifenopern entstammte.
»Liebling, ich bin's, Livia. Ich wollte dir sagen, daß ich
unseren Flug gebucht habe. Wir starten in Rom, du mußt also
ein Ticket von Palermo nach Fiumicino lösen, ich von Genua.
Wir treffen uns am Flughafen und steigen ein.«
»Hhm.«
»Ich habe auch das Hotel reserviert, eine Freundin, die
dort war, hat gesagt, es sei sehr schön, dabei aber nicht
luxuriös. Es wird dir bestimmt gefallen.«
»Hhm.«
»Wir fliegen in zwei Wochen. Ich bin so glücklich. Ich
zähle schon die Tage und Stunden.«
»Hhm.«
»Salvo, was ist los?«
»Nichts. Was soll denn sein?«
»Du klingst nicht gerade begeistert.«
»Ach was, nein, nein.«
»Salvo, wenn du im letzten Moment einen Rückzieher
machst, fliege ich trotzdem und mache allein Urlaub.«
»Ach, komm.«
»Würdest du mir vielleicht sagen, was mit dir los ist?«
»Nichts. Ich habe gerade geschlafen.«
»Commissario Montalbano? Buonasera. Hier ist Preside
Burgio.«
»Buonasera, was gibt es?«
»Bitte entschuldigen Sie vielmals, daß ich Sie zu Hause
störe. Ich habe in den Nachrichten gerade vom Fund der
beiden Leichen
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