Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
ich habe es eilig und muß Sie etwas sehr Wichtiges
fragen. Konnte Lillo Rizzitano arabisch?«
»Lillo? Nie und nimmer.«
»Könnte es nicht sein, daß er an der Universität Arabisch
studiert hat?«
»Das schließe ich aus.«
»In welchem Fach hat er denn promoviert?«
»In Literaturwissenschaften, bei Professor Aurelio
Cotroneo. Vielleicht hat er mir gegenüber das Thema seiner
Doktorarbeit auch erwähnt, aber ich habe es vergessen.«
»Hatte er arabische Freunde?«
»Soviel ich weiß, nicht.«
»Waren 1942 und 43 Araber in Vigàta?«
»Commissario, die Araber waren zur Zeit ihrer Herrschaft
hier und sind jetzt zurückgekehrt, aber als Habenichtse, nicht
als Herrscher. In der Zeit waren sie nicht hier. Was haben die
Araber Ihnen denn getan?«
Es war schon dunkel, als sie nach Marsala aufbrachen. Livia
war glücklich und aufgekratzt, das Zusammensein mit
Valentes Frau hatte ihr Spaß gemacht. An der ersten Kreuzung
bog Montalbano, anstatt nach rechts zu fahren, links ab; Livia
merkte es sofort, und der Commissario war zu einem
schwierigen Wendemanöver gezwungen. An der nächsten
Kreuzung – vielleicht um den ersten Fehler auszugleichen –
machte Montalbano es genau andersherum, anstatt nach links
zu fahren, bog er rechts ab, ohne daß Livia, die in einem fort
redete, es merkte. Sie staunten nicht schlecht, als sie plötzlich
wieder in Mazara waren. Livia war stinksauer.
»Jetzt reicht's mir langsam!«
»Du hättest es ja auch merken können!«
»Du bist unfair! Bevor wir aus Vigàta abgefahren sind,
hast du mir versprochen, deine Gedanken zu Hause zu lassen,
und jetzt hängst du wieder nur deinen Geschichten nach. Und
red ja nicht sizilianisch mit mir!«
»Es tut mir ja leid.«
Die nächste halbe Stunde fuhr er sehr aufmerksam, aber
dann schlichen sich seine Gedanken klammheimlich wieder
ein: Der Hund paßte, die Schale mit den Münzen paßte, der
Krug nicht. Warum nicht?
Er konnte nicht mal ansatzweise über eine Hypothese
nachdenken, denn die Scheinwerfer eines Lastwagens
blendeten ihn; er begriff, daß er zu weit in der Straßenmitte
fuhr und ein möglicher Zusammenstoß katastrophal wäre.
Betäubt von Livias Schrei und dem wütenden Hupen des
Lastwagens, riß er hastig das Steuer herum. Sie holperten auf
einem frisch gepflügten Acker herum, dann blieb das Auto im
Graben liegen. Sie redeten nicht, sie hatten nichts zu sagen,
Livia atmete schwer. Montalbano grauste es vor dem, was
gleich kommen würde, sobald seine Freundin sich ein bißchen
erholt hatte. Feige appellierte er vorsorglich an ihr Mitleid.
»Weißt du, ich wollte es dir erst nicht sagen, damit du dir
keine Sorgen machst, aber nach dem Mittagessen ging es mir
gar nicht gut...«
Dann entwickelte sich die Geschichte zu einem
Mittelding zwischen Tragödie und Dick-und-Doof-Film. Das
Auto rührte sich nicht vom Fleck, Livia hüllte sich in
verächtliches Schweigen, Montalbano gab es irgendwann auf,
aus dem Graben herauszukommen, weil er fürchtete, den
Motor zu ruinieren. Er hängte sich das Gepäck um den Hals,
Livia folgte ihm mit ein paar Schritten Abstand. Ein
Autofahrer hatte Mitleid mit den beiden Trauergestalten am
Straßenrand und brachte sie nach Marsala. Montalbano ließ
Livia im Hotel, ging ins Kommissariat, wies sich aus und
weckte mit Hilfe eines Kollegen jemanden auf, der einen
Abschleppwagen hatte. Es war vier Uhr morgens, als er
endlich soweit war und sich neben Livia ins Bett legte, die
sich im Schlaf hin- und herwarf.
Zweiundzwanzig
Damit sie ihm verzieh, nahm Montalbano sich vor, liebevoll
und gehorsam zu sein und geduldig zu lächeln. Es gelang ihm
auch, und Livias gute Laune kehrte zurück, sie fand Mozia
bezaubernd, staunte über die Straße knapp unter dem
Wasserspiegel, die die Insel mit der gegenüberliegenden Küste
verband, und war ganz hingerissen vom Mosaikboden in einer
Villa, der aus weißen und schwarzen Flußkieseln gefügt war.
»Das hier ist das Tophet«, sagte der Führer, »das heilige
Areal der Phönizier. Es gab keine Gebäude, die Riten wurden
unter freiem Himmel abgehalten.«
»Die üblichen Opfer für die Götter?« erkundigte sich
Livia.
»Für den Gott«, korrigierte der Führer, »den Gott Baal
Hammon. Sie opferten ihm den Erstgeborenen. Sie erwürgten
und verbrannten ihn und taten seine Überreste in ein Gefäß,
das sie in die Erde steckten, und daneben errichteten sie eine
Stele. Über siebenhundert hat man hier
Weitere Kostenlose Bücher