Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
sorgt, daß sie einschlafen. Die Höhle von Ephesos
existiert wirklich, sie ist sogar in der Treccani-Enzyklopädie
abgebildet. Man errichtete über ihr ein Heiligtum, das später
wieder abgerissen wurde. Nun, die christliche Legende erzählt,
daß in der Höhle eine Quelle war. Sobald die Schlafenden
aufwachten, tranken sie erst und schickten dann einen von
ihnen auf die Suche nach etwas Eßbarem. Aber an keiner
Stelle ist in der christlichen Legende, auch nicht in ihren
unzähligen europäischen Varianten, von einem Hund die
Rede. Der Hund, der Kytmyr heißt, ist schlicht und einfach
eine poetische Schöpfung Mohammeds, der die Tiere so sehr
liebte, daß er sich einen Hemdsärmel abschnitt, um die Katze
nicht zu wecken, die darauf schlief.«
»Ich blicke nicht mehr durch«, sagte Montalbano.
»Aber es ist doch ganz einfach, Commissario! Ich wollte
nur sagen, daß der Krug ein Symbol für die Quelle in der
Höhle von Ephesos ist. Daraus schließen wir: Der Krug, der
also zur christlichen Legende gehört, paßt nur dann zu dem
Hund, der eine poetische Schöpfung des Koran ist, wenn man
sämtliche Varianten vor Augen hat, die die verschiedenen
Kulturen dazu beigetragen haben... Meiner Meinung nach
kann der Autor der Inszenierung in der Grotte nur jemand sein,
der aus Gründen des Studiums...«
Wie in einem Comic sah Montalbano förmlich die
Glühbirne, das Licht, das ihm aufging.
Er bremste so abrupt vor dem Bürogebäude der Antimafia, daß
der Wachtposten nervös wurde und seine Maschinenpistole
hob.
»Ich bin Commissario Montalbano!« schrie er und zeigte
seinen Führerschein, das erste, was er in die Finger bekam.
Atemlos rannte er zu einem anderen Beamten, der Pförtner
war.
»Sagen Sie Dottor De Dominicis Bescheid, daß
Commissario Montalbano raufkommt, schnell!«
Er war allein im Aufzug, und Montalbano nutzte die
Gelegenheit und zerzauste sich die Haare, lockerte den
Krawattenknoten und öffnete den Kragenknopf. Er wollte
noch das Hemd ein bißchen aus der Hose hängen lassen, fand
das dann aber doch übertrieben.
»De Dominicis, ich hab's!« japste er und schloß die Tür
hinter sich.
»Was denn?« fragte De Dominicis, beunruhigt über den
Anblick des Commissario, und erhob sich von seinem
funkelnden Sessel in seinem funkelnden Büro.
»Wenn Sie bereit sind, mir zu helfen, lasse ich Sie an
einer Ermittlung teilnehmen, die...«
Er unterbrach sich und legte die Hand auf den Mund, als
wolle er sich selbst am Weiterreden hindern.
»Worum geht es denn? Ein kleiner Hinweis nur!«
»Ich kann nicht, glauben Sie mir, ich kann nicht.«
»Was müßte ich tun?«
»Bis spätestens heute abend muß ich wissen, worüber ein
gewisser Calogero Rizzitano seine Doktorarbeit in
Literaturwissenschaften geschrieben hat. Sein Professor hieß
Cotroneo, soviel ich weiß. Er muß gegen Ende 42 promoviert
haben. Der Gegenstand dieser Doktorarbeit ist der Schlüssel
zu allem, es könnte ein tödlicher Schlag gegen die...«
Er unterbrach sich wieder, riß die Augen auf und dachte
erschrocken: Ich habe doch nichts gesagt, oder?
Montalbanos Erregung übertrug sich auf De Dominicis.
»Wie soll das gehen? Damals gab es Tausende von Studenten!
Falls die Unterlagen überhaupt noch existieren...«
»Ach, was. Nicht Tausende, höchstens Dutzende. In der
Zeit standen die jungen Männer alle unter Waffen. Es ist ganz
einfach.«
»Warum kümmern Sie sich dann nicht selber darum?«
»Weil mich der Amtsschimmel bestimmt furchtbar viel
Zeit kosten würde, und Ihnen stehen doch alle Türen offen.«
»Wo kann ich Sie erreichen?«
»Ich fahre jetzt sofort nach Vigàta zurück, ich darf
gewisse Entwicklungen nicht aus den Augen lassen. Rufen Sie
mich an, sobald Sie etwas herausgefunden haben. Aber
unbedingt zu Hause. Im Büro nicht, da könnte ein Maulwurf
sein.«
Bis zum Abend wartete er auf De Dominicis' Anruf, der nicht
kam. Das machte ihm aber keine Sorgen, er war sicher, daß De
Dominicis angebissen hatte. Offenbar war die Sache auch für
ihn nicht ganz einfach.
Am nächsten Morgen freute er sich, daß Adelina, seine
Haushälterin, wieder da war.
»Warum bist du denn nicht mehr gekommen?«
»Warum, warum! Weil die Signorina es nicht mag, daß
ich im Haus bin, wenn sie da ist.«
»Woher wußtest du, daß Livia wieder weg ist?«
»Ich hab's im Ort gehört.«
In Vigàta wußte jeder über jeden Bescheid. »Was hast du
eingekauft?«
»Es gibt pasta con le sardi und
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