Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
Commissario
Montalbano aus Vigàta. Wie war das mit der Enteignung?«
»Mit welcher Enteignung?«
»Von den Grundstücken, die vom Bau der Straße und des
Tunnels betroffen sind, die Sie bei uns hier gebaut haben.«
»Dafür bin ich leider nicht zuständig. Ich habe nur mit
den Bauarbeiten zu tun. Beziehungsweise hatte damit zu tun,
bis eine Verfügung alles gestoppt hat.«
»An wen kann ich mich dann wenden?«
»An jemanden von der Firma.«
»Da habe ich bereits angerufen, aber es geht niemand ans
Telefon.«
»Dann an den Commendatore Gaetano oder seinen Sohn
Arturo. Wenn sie aus dem Ucciardone-Gefängnis wieder
draußen sind.«
»Ach ja?«
»Ja. Erpressung und Korruption.«
»Dann habe ich also keine Chance?«
»Auch wenn die Richter gnädig sind, kommen sie
frühestens in fünf Jahren raus. Aber Scherz beiseite, Sie
könnten es bei Avvocato Di Bartolomeo probieren, dem
Justitiar der Firma.«
»Wissen Sie, Commissario, es gehört nicht zu den Aufgaben
der Firma, sich mit der Prozedur der Enteignungen zu
befassen. Dafür ist die Gemeinde zuständig, in deren
Gemarkung die zu enteignenden Grundstücke liegen.«
»Und was haben Sie dann damit zu tun?«
»Das geht Sie nichts an.«
Der Anwalt hängte ein. Di Bartolomeo war wohl etwas
verstimmt: Vielleicht bestand seine Aufgabe darin, Vater &
Sohn Nicolosi bei ihren Machenschaften den Rücken zu
decken, was ihm aber dieses Mal nicht gelungen war.
Das Büro war erst seit fünf Minuten geöffnet, als Geometra
Tumminello, der Vermessungsingenieur, sich plötzlich
Commissario Montalbano gegenübersah, der nicht sehr
ausgeglichen wirkte. In der Tat hatte Montalbano eine
unruhige Nacht hinter sich, er hatte nicht schlafen können und
Faulkner gelesen. Der Geometra, dessen Sohn ein
Herumtreiber war, der seine Zeit mit zwielichtigen Gestalten,
Schlägereien und Motorrädern verbrachte und auch diese
Nacht nicht heimgekommen war, wurde blaß, und seine Hände
begannen zu zittern. Montalbano, dem Tumminellos Reaktion
auf sein Erscheinen nicht verborgen blieb, kam – er war und
blieb ein Bulle, da konnte er noch so viele gute Bücher lesen –
ein böser Gedanke: Der hat was zu verbergen.
»Was gibt's?« fragte Tumminello und war auf die
Mitteilung gefaßt, sein Sohn sei festgenommen worden. Das
wäre sogar ein Glück oder zumindest das kleinere Übel: Seine
Kumpane konnten ihn schließlich auch umgebracht haben.
»Ich brauche eine Information. Über eine Enteignung.«
Tumminello entspannte sich merklich.
»Na, haben Sie sich wieder beruhigt?« Montalbano
konnte sich die Frage nicht verkneifen.
»Ja«, gab der Geometra offen zu. »Ich sorge mich um
meinen Sohn. Er ist heute nacht nicht heimgekommen.«
»Kommt das oft vor?«
»Ja, wissen Sie, er...«
»Dann machen Sie sich mal keine Gedanken«, fiel
Montalbano ihm ins Wort, er hatte jetzt keine Zeit, sich mit
den Problemen Jugendlicher zu beschäftigen. »Ich muß die
Unterlagen einsehen, in denen es um die Veräußerung
beziehungsweise Enteignung der Grundstücke für den
Tunnelbau am Crasto geht. Dafür sind Sie doch zuständig,
oder?«
»Ja, schon. Aber wir brauchen die Unterlagen nicht, ich
habe alles im Kopf. Sagen Sie mir im einzelnen, was Sie
wissen wollen.«
»Ich will etwas über das Land der Rizzitanos wissen.«
»Das habe ich mir schon gedacht«, sagte der Geometra.
»Als ich erst von dem Waffenfund und dann von den beiden
Mordopfern hörte, dachte ich, das ist doch das Land von den
Rizzitanos, und habe mir die Unterlagen angesehen.«
»Und was steht in den Unterlagen?«
»Da muß ich etwas vorausschicken. Durch den Bau der
Straße und des Tunnels waren nämlich fünfundvierzig
Grundstückseigentümer geschädigt, wenn man so sagen will.«
»Eh, Madonna!«
» Sogar ein handtuchgroßes Grundstück von zweitausend
Quadratmetern hat laut letztwilliger Verfügung fünf
Eigentümer. Die Mitteilung kann nicht en bloc an die Erben
gehen, sie muß jedem einzeln zugestellt werden. Als wir den
Präfekturerlaß hatten, boten wir den Eigentümern eine
niedrige Summe, da es sich zum größten Teil um
landwirtschaftliche Nutzflächen handelte. Im Fall von
Calogero Rizzitano, von dem wir nur annahmen, daß er ein
Eigentümer war, weil das mit keinem Stück Papier belegt ist,
das heißt, es gibt keine Rechtsnachfolge und sein Vater ist
ohne Testament verstorben, bei Rizzitano also mußten wir
Paragraph 143 der Zivilprozeßordnung anwenden, der
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