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Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta

Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta

Titel: Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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sieben Uhr abends
    kam ich zurück und traf Lisetta allein an, Mario war auf die
    Pacinotti zurückgekehrt. Wir aßen zu Abend und stellten uns
    dann ans Fenster, um das Feuerwerk – es sah wirklich so aus –
    eines Luftangriffs auf Vigàta anzuschauen. Lisetta ging zu
    Bett, oben, in meinem Schlafzimmer. Ich blieb unten und las
    im Schein einer Petroleumlampe. Da...«
    Rizzitano hielt erschöpft inne und seufzte tief.
    »Möchten Sie ein Glas Wasser?« Der alte Mann schien
    die Worte nicht gehört zu haben.
    »... da hörte ich, wie in der Ferne jemand schrie.
    Eigentlich klang es wie der Klagelaut eines Tieres, wie ein
    heulender Hund. Aber es war Zio Stefano, der seine Tochter
    rief. Mich überlief eine Gänsehaut, als ich diese Stimme hörte,
    weil es die gequälte und quälende Stimme eines grausam
    verlassenen Liebenden war, der wie ein Tier litt und seinen
    Schmerz hinausschrie, es war nicht die Stimme eines Vaters,
    der seine Tochter suchte. Ich war erschüttert. Ich öffnete die
    Tür, es herrschte tiefste Dunkelheit. Ich schrie, daß ich allein
    im Haus sei und warum er seine Tochter ausgerechnet bei mir
    suche? Plötzlich stand er vor mir, wie aus dem Boden
    gewachsen, und stürzte ins Haus, er war irre geworden,
    zitterte, beschimpfte mich und Lisetta. Ich versuchte ihn zu
    beruhigen und ging auf ihn zu. Da schlug er mir mit der Faust
    ins Gesicht, und ich fiel benommen nach hinten. Ich sah, daß
    er jetzt einen Revolver in der Hand hatte, er sagte, er werde
    mich umbringen. Da machte ich einen Fehler, ich hielt ihm
    vor, er wolle seine Tochter doch nur, um sie wieder
    vergewaltigen zu können. Er schoß auf mich, traf aber nicht, er
    war zu aufgewühlt. Er zielte besser, aber da knallte noch ein
    Schuß. Im Schlafzimmer hatte ich neben dem Bett ein
    geladenes Jagdgewehr stehen. Lisetta hatte es genommen und
    vom Treppenabsatz aus auf ihren Vater geschossen. Der Schuß
    hatte Zio Stefano an der Schulter getroffen, er schwankte, und
    die Waffe fiel ihm aus der Hand. Lisetta forderte ihn kaltblütig
    auf zu verschwinden, sonst würde sie ihn töten. Ich war
    überzeugt, daß sie damit nicht zögern würde. Zio Stefano sah
    seiner Tochter lange in die Augen, dann winselte er mit
    geschlossenem Mund, und ich glaube, nicht nur wegen seiner
    Verletzung, drehte sich um und ging hinaus. Ich verrammelte
    Türen und Fenster. Ich war völlig verängstigt, Lisetta war
    diejenige, die mir wieder Mut machte und Kraft gab. Auch am
    nächsten Morgen ließen wir alles verbarrikadiert. Gegen drei
    kam Mario, wir erzählten ihm, was mit Zio Stefano passiert
    war, da beschloß er, die Nacht bei uns zu verbringen, er wollte
    uns nicht allein lassen, Lisettas Vater würde bestimmt
    wiederkommen. Gegen Mitternacht gab es einen schrecklichen
    Bombenangriff auf Vigàta, aber Lisetta war ganz ruhig, weil
    sie ihren Mario bei sich hatte. Am Morgen des neunten Juli
    ging ich nach Vigàta, um nachzusehen, ob unser Haus im Dorf
    noch stand. Ich beschwor Mario, niemandem zu öffnen und
    das Gewehr griffbereit zu halten.«
    Er verstummte. »Meine Kehle ist trocken.«
    Montalbano lief in die Küche und kam mit einem Glas
    und einer Karaffe frischem Wasser zurück. Mit beiden Händen
    nahm der Alte das Glas, er zitterte stark. Der Commissario
    empfand tiefes Mitleid mit ihm.
    »Wenn Sie eine Pause machen wollen, dann reden wir
    nachher weiter.«
    Der Alte schüttelte den Kopf. »Wenn ich jetzt aufhöre,
    geht es nachher nicht mehr weiter. Ich blieb bis zum späten
    Nachmittag in Vigàta. Das Haus war nicht zerstört, aber es sah
    schrecklich aus, Türen und Fenster waren aufgrund der
    Druckwellen herausgerissen, Möbel umgestürzt, Scheiben
    zerbrochen. Ich räumte auf, so gut es ging, und arbeitete bis
    abends. In der Einfahrt fand ich mein Fahrrad nicht mehr, es
    war gestohlen. Zu Fuß machte ich mich auf zum Crasto, eine
    Wegstunde. Ich mußte ganz am Rand der Provinciale laufen,
    weil in beiden Richtungen unzählige Militärfahrzeuge
    unterwegs waren, italienische und deutsche. Als ich an dem
    Weg ankam, der zum Haus führte, tauchten sechs
    amerikanische Jagdbomber auf, die das Feuer eröffneten und
    Splitterbomben abwarfen. Sie flogen sehr tief und machten
    einen furchtbaren Lärm. Ich warf mich in einen Graben, da
    traf mich fast im selben Augenblick mit großer Wucht ein
    Gegenstand am Rücken. Ich hielt ihn zuerst für einen großen
    Stein, der von einer explodierenden Bombe weggeschleudert
    worden war. Aber es war ein

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