Commissario Montalbano 03 - Der Dieb der süssen Dinge
Zellophantüte. Ach ja, noch was. Hat Jacomuzzi das Messer geschickt?«
» Sissignore.«
Er hatte nicht den Mut, das Büro zu verlassen, zu Hause erwartete ihn der schwierigste Teil, Livias Schmerz. Apropos, wenn Livia wieder abreiste… Er wählte Adelinas Nummer.
»Adeli? Hier ist Montalbano. Hör zu, morgen früh reist die Signorina ab. Ich muß wieder zu Kräften kommen. Weißt du was? Ich hab' heut noch nichts gegessen.« Irgendwie mußte man schließlich über die Runden kommen, oder?
Fünfzehn
Livia saß vollkommen reglos auf der Bank in der Veranda und schien aufs Meer hinauszuschauen. Sie weinte nicht, aber an ihren geschwollenen roten Augen sah man, daß sie alle Tränen geweint hatte, die ihr zur Verfügung standen. Montalbano setzte sich neben sie, nahm ihre Hand und drückte sie. Ihm war, als habe er nach etwas Totem gegriffen, er bekam fast eine Gänsehaut. Er ließ die Hand los und zündete sich eine Zigarette an. Livia wollte er aus der ganzen Geschichte so weit wie möglich raushalten, aber dann stellte sie ihm eine klare Frage; anscheinend hatte sie lange nachgedacht.
»Glaubst du, sie wollen ihm etwas antun?«
»Etwas wirklich Schlimmes glaube ich nicht. Aber ihn für einige Zeit verschwinden lassen, das schon.«
»Und wie?«
»Was weiß ich, sie könnten ihn unter falschem Namen in ein Waisenhaus stecken.«
»Warum?«
»Weil er Leute kennengelernt hat, die er nicht hätte kennenlernen dürfen.«
Livia starrte immer noch aufs Meer hinaus und dachte über Montalbanos letzte Worte nach.
»Ich verstehe das nicht«, sagte sie.
»Was?«
»Wenn diese Leute, die Francois gesehen hat, Tunesier sind, vielleicht illegale Einwanderer, könntet ihr als Polizei dann nicht…«
»Es sind nicht nur Tunesier.«
Langsam, als koste es sie Mühe, wandte Livia sich zu ihm um und sah ihn an.
»Nein?«
»Nein. Und jetzt sage ich kein Wort mehr.«
»Ich will ihn.«
»Wen?«
»Francois. Ich will ihn.«
»Aber, Livia…«
»Halt den Mund. Ich will ihn. Niemand kann ihn mir einfach wegnehmen, und du am allerwenigsten. Ich habe in diesen Stunden viel darüber nachgedacht, weißt du. Wie alt bist du, Salvo?«
Das kam so plötzlich, daß der Commissario einen Augenblick unsicher war. »Ich glaube, vierundvierzig.«
»Vierundvierzig und zehn Monate. In zwei Monaten wirst du fünfundvierzig. Und ich bin inzwischen dreiunddreißig. Ist dir klar, was das heißt?«
»Nein. Was denn?«
»Wir sind jetzt seit sechs Jahren zusammen. Ab und zu reden wir vom Heiraten, und dann lassen wir das Thema wieder fallen. In stillem Einvernehmen treffen wir alle beide keine Entscheidung. Wir sind zufrieden, wie es ist, und unsere Trägheit, unser Egoismus behält immer die Oberhand.«
»Trägheit? Egoismus? Was soll denn das heißen? Es gibt objektive Schwierigkeiten, die…«
»… die du dir in den Arsch stecken kannst«, fiel Livia ihm grob ins Wort.
Montalbano schwieg bestürzt. Nur ein- oder zweimal in sechs Jahren war Livia so ordinär geworden, und da war die Situation jedesmal besorgniserregend und sehr angespannt gewesen.
»Entschuldige«, sagte Livia leise. »Aber manchmal ertrage ich deine Heuchelei nicht mehr, mit der du immer alles kaschierst. Dein Zynismus ist ehrlicher.« Auch das steckte Montalbano schweigend ein. »Lenk mich nicht von dem ab, was ich dir sagen will. Du bist ein guter Polizist, das ist dein Job. Jetzt frage ich dich etwas. Wann, glaubst du, können wir heiraten? Gib mir eine klare Antwort.«
»Das hängt nicht nur von mir ab…« Livia sprang auf.
»Jetzt reicht's! Ich gehe ins Bett, ich habe zwei Schlaftabletten genommen, mein Flug geht morgen mittag in Palermo ab. Aber vorher will ich dieses Gespräch zu Ende führen. Wenn wir überhaupt jemals heiraten, dann bist du bis dahin fünfzig und ich achtunddreißig. Zu alt, um Kinder zu haben, werden wir sagen. Und haben gar nicht gemerkt, daß uns jemand, Gott oder wer auch immer an seiner Statt, im richtigen Augenblick schon ein Kind geschickt hat.« Sie drehte sich um und ging ins Haus. Montalbano blieb in der Veranda sitzen und blickte aufs Meer hinaus, aber er sah es gar nicht richtig.
Eine Stunde vor Mitternacht vergewisserte er sich, daß Livia fest schlief. Er zog den Telefonstecker heraus, klaubte alle Münzen zusammen, die er finden konnte, löschte das Licht und verließ das Haus. Er fuhr zu der Telefonzelle, die in Marinella am Parkplatz der Bar stand. »Nicolo? Hier ist Montalbano. Ich muß dir mehreres sagen. Schick
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