Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde
Angst, Verpflichtungen einzugehen, die er nicht würde einhalten können, mal sehe er sich als glücklichen Vater von mindestens vier Kindern. Er könne sich nicht entschließen, er fürchte, in dem Augenblick, in dem er Ja sagen müsse, Reißaus zu nehmen und alles stehen und liegen zu lassen. Und wie sollte die arme Beba einen solchen Schlag aushalten? Wie beim letzten Mal tranken sie allen Whisky, der im Haus war. Augello war schon geschwächt von den vorhergegangenen Nächten und kippte zuerst um, erschöpft von dem dreistündigen Monolog: Er stand auf und verließ das Zimmer. Montalbano dachte, er sei ins Bad gegangen. Irrtum, Mimi hatte sich quer auf sein Bett geworfen und schnarchte. Der Commissario schimpfte, verfluchte ihn, legte sich aufs Sofa und schlief langsam ein.
Mit Kopfschmerzen wachte er auf, weil im Bad jemand sang. Wer konnte das sein? Plötzlich fiel ihm alles wieder ein. Er stand auf, ein einziger Schmerz, weil er so unbequem geschlafen hatte, und lief zum Bad: Mimi duschte und setzte alles unter Wasser. Aber das kümmerte ihn nicht, er schien glücklich zu sein. Was tun? Ihn mit einem Schlag ins Genick niederstrecken? Montalbano ging auf die Veranda, der Tag war ganz passabel. Er kehrte in die Küche zurück, machte Kaffee und trank eine Tasse. Mimi erschien, rasiert, äußerst munter und grinsend. »Krieg ich auch einen?«
Montalbano gab keine Antwort, er wusste nicht, was ihm über die Lippen käme, wenn er den Mund aufmachte. Augello füllte seine Tasse halb mit Zucker auf, und dem Commissario wurde speiübel, der trank ja keinen Kaffee, sondern aß ihn als Marmelade.
Als er den Kaffee, oder was es auch war, getrunken hatte, sah Mimi ihn ernst an.
»Bitte vergiss, was ich dir heute Nacht erzählt habe. Ich bin fest entschlossen, Beba zu heiraten. So ein Schwachsinn fällt mir ab und zu ein und geht vorüber.«
»Glückwunsch und viele Söhne«, brummte Montalbano finster.
Als Augello gehen wollte, fügte er, diesmal mit klarer Stimme, hinzu: »Und mein Kompliment.«
Mimi drehte sich langsam um, vorsichtig, der Ton des Commissario war gewollt zweideutig gewesen.
»Dein Kompliment wofür?«
»Für deine Arbeit betreffs Gargano. Da fehlt's ja hinten und vorn.«
»Hast du in meine Unterlagen geschaut?«, fragte Augello sofort verärgert.
»Reg dich ab, ich bevorzuge lehrreichere Lektüre.«
»Hör zu, Salvo«, sagte Mimi, machte kehrt und setzte sich wieder hin. »Wie kann ich dir erklären, dass ich bei den Ermittlungen, und zwar zu einem sehr geringen Teil, nur mitgearbeitet habe? Alles liegt in Guarnottas Hän den. Auch Bologna befasst sich mit der Angelegenheit. Auf mich brauchst du also nicht sauer zu sein, ich habe getan, worum ich gebeten wurde, Punkt aus.«
»Haben die gar keine Vorstellung, wo das Geld steckt?«
»Solange ich damit befasst war, wussten sie nicht, welchen Weg es genommen haben könnte. Du weißt doch, wie diese Leute agieren: Sie schleusen das Geld von einem Land zum anderen, von einer Bank zur nächsten, gründen Scheinfirmen, Offshore-Gesellschaften und lauter so Zeug, und irgendwann bezweifels t du, dass diese Gelder je existiert haben.«
»Der Einzige, der weiß, wo sich die Beute jetzt befindet, wäre also Gargano?«
»Theoretisch müsste er der Einzige sein.«
»Was soll das heißen?«
»Na ja, wir können nicht ausschließen, dass er einen Komplizen hatte. Oder dass er jemand eingeweiht hat. Aber ich glaube nicht, dass er das getan hat.«
»Warum nicht?«
»Das passt nicht zu ihm, er hat den Mitarbeitern nicht getraut, er hat alles kontrolliert. Der Einzige, der ein Minimum an Selbständigkeit, kaum der Rede wert, hier in der Agentur in Vigàta hatte, war Giacomo Pellegrino, ich glaube, so heißt er. Das weiß ich von den beiden anderen Angestellten, ihn selbst konnte ich nicht befragen, weil er nach Deutschland gereist und noch nicht wieder zurück ist.«
»Von wem weißt du, dass er verreist ist?«
»Von seiner Vermieterin.«
»Seid ihr sicher, dass Gargano, freiwillig oder unfreiwillig, nicht aus unserer Gegend verschwunden ist?«
»Sieh mal, Salvo, für keinen Zug, kein Schiff und kein Flugzeug ist ein Fahrschein aufgetaucht, der seine Abreise wohin auch immer an den Tagen vor seinem Verschwinden belegen würde. Er könnte mit dem Auto gekommen sein, sagten wir uns. Er besaß eine Mautkarte für die Autobahn. Es gibt keine Bestätigung dafür, dass er sie benutzt hat. Paradoxerweise könnte es sein, dass Gargano
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