Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde
sehen, ich muss Ihnen etwas sagen.«
»Kommen Sie her.«
»Bestimmt nicht, es könnte unangenehme Begegnungen geben. Lassen Sie uns in den kleinen Wald fahren, der Ihnen so gut gefallen hat. Wenn es Ihnen passt, um halb eins vor meiner Haustür.«
»Weißt du denn sicher, was du da sagst?«, fragte Nicolò Zito, der pünktlich um elf gekommen war. »Das hätte ich ja nie gedacht. Dabei habe ich ihn drei- oder viermal interviewt.«
»Ich habe die Kassette gesehen«, sagte Montalbano. »Und so wie er redete und sich bewegte, wirkte er wirklich nicht schwul.«
»Siehst du? Und wer hat dir das erzählt? Das kann nur eine Unterstellung sein, ein Gerücht, das jemand in die Welt gesetzt hat, einfach um.«
»Nein, auf diese Quelle kann ich mich verlassen. Es ist eine Frau.«
»Und war Pellegrino es auch?«
»Ja.«
»Und glaubst du, dass zwischen den beiden was war?«
»Mir wurde gesagt, dass da was war.« Nicolò Zito dachte eine Weile nach.
»Doch das ändert nichts Wesentliches an der Situation. Vielleicht haben sie bei dem Betrug gemeinsame Sache gemacht.«
»Möglich. Ich wollte dir nur sagen, dass du deine Ohren offen halten musst, die Geschichte ist vielleicht weniger simpel, als Guarnotta sie darstellt. Und noch was: Versuch herauszukriegen, wo genau sie das Moped gefunden haben.«
»Guarnotta hat gesagt, dass.«
»Ich weiß, was Guarnotta gesagt hat. Aber ich muss wissen, ob das der Wahrheit entspricht. Denn wenn das Moped nah beim Auto gefunden wurde, dann heißt das, dass ein Taucher es von dort, wo es war, herausgeholt hat.«
»Und wo war es?«
»Im Kofferraum.«
»Woher weißt du das?«
»Ich habe es gesehen.« Nicolò sah ihn entgeistert an.
»Bist du der polnische Admiral?«
»Ich habe niemals behauptet, Admiral oder Pole zu sein«, sagte Montalbano feierlich.
Ein Luder war sie, aber wunderschön, sogar noch schöner als letztes Mal, vielleicht weil die Grippe vorbei war. Sie setzte sich ins Auto, und ihre nackten Beine waren eine Wonne. Montalbano nahm die zweite Straße rechts, dann bog er links in den Feldweg ab.
»Sie erinnern sich ja genau an den Weg. Waren Sie noch mal hier?«, fragte Michela, als das Wäldchen in Sicht kam; sie sprach zum ersten Mal.
»Ich habe ein gutes Gedächtnis«, sagte Montalbano. »Warum wollten Sie mich sehen?«
»Sie haben es aber eilig!«, sagte das Mädchen.
Sie räkelte sich wie eine Katze, die Hände auf dem Kopf verschränkt, den Oberkörper nach hinten gestreckt. Das Blüschen war kurz davor zu platzen.
Mit Büstenhalter würde sie sich wie in einer Zwangsjacke fühlen, dachte der Commissario.
»Zigarette.«
Während er ihr Feuer gab, fragte er:
»Was für Prüfungen müssen Sie ablegen?«
Michela lachte aus vollem Halse und verschluckte sich am Rauch.
»Wenn ich noch Zeit habe, lege ich eine ab.«
»Wenn Sie noch Zeit haben? Was haben Sie sonst vor?« Michela sah ihn nur an, ihre blauen Augen glitzerten amüsiert. Vielsagender als eine lange und ausführliche Rede. Der Commissario merkte wütend, dass er rot wurde. Da legte er plötzlich einen Arm um Michelas Schultern, zog sie mit Gewalt an sich und fuhr ihr grob mit der Hand zwischen die Beine.
»Lassen Sie mich! Lassen Sie mich los!«, schrie Michela; ihre Stimme war auf einmal spitz, fast hysterisch. Sie befreite sich aus der Umklammerung des Commissario und öffnete die Tür. Sie war wirklich durcheinander und verärgert. Sie stieg aus, lief aber nicht weg. Montalbano, der sich nicht vom Fleck gerührt hatte, sah sie an. Plötzlich lachte Michela, öffnete die Tür und setzte sich wieder neben den Commissario.
»Sehr trickreich. Und ich bin auf Ihr Theater reingefallen. Ich hätte Sie weitermachen lassen sollen, um zu sehen, wie Sie aus dieser Zwickmühle wieder rauskommen.«
»Genauso wie letztes Mal«, sagte Montalbano, »als es dir einfiel, mich zu küssen. Aber ich war mir sicher, dass du so reagieren würdest. Macht es dir so viel Spaß zu provozieren?«
»Ja. So wie Sie gern den keuschen Josef spielen. Frieden?« Das Mädchen hatte es ganz schön in sich, und intelligent war sie auch noch.
»Frieden«, sagte Montalbano. »Hattest du mir wirklich was zu sagen, oder war das ein Vorwand, weil du dich amüsieren wolltest?«
»Beides«, sagte Michela. »Als ich heute Morgen hörte, dass Giacomo tot ist, war ich erschüttert. Wissen Sie, wie er gestorben ist?«
»Man hat ihm ins Gesicht geschossen.«
Das Mädchen fuhr hoch, dann tropften zwei perlengroße
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