Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde
er knauserig war, er achtete darauf, sein Geld zusammenzuhalten.« Augello sprach zuerst.
»Warum nic ht aus Liebe? Nach allem, was du erzählt hast, war es mehr als eine Bettgeschichte.«
»Und wie siehst du das?«, fragte Montalbano Fazio.
»Die Erklärung von Dottor Augello könnte stimmen. Aber ich weiß nicht recht, überzeugt bin ich nicht. Ich denke eher an Erpressung.«
»Weswegen?«
»Keine Ahnung, Pellegrino kann Gargano damit gedroht haben, allen zu erzählen, dass sie ein Verhältnis hatten. dass er schwul war.«
Augello brach in Lachen aus, Fazio sah ihn überrascht an.
»Wie alt bist du eigentlich, Fazio? Heutzutage interessiert es doch Gott sei Dank kein Schwein mehr, ob einer schwul ist oder nicht!«
»Gargano legte Wert darauf, dass man es ihm nicht anmerkte«, mischte Montalbano sich ein. »Aber auch wenn die Sache möglicherweise ans Licht gekommen wäre, glaube ich nicht, dass er ein Drama daraus gemacht hätte. Nein, mit einer Drohung dieser Art hätte sich ein Typ wie Gargano nicht erpressen lassen.«
Fazio breitete die Arme aus und verzichtete darauf, seine These zu verteidigen. Er sah den Commissario fest an. Auch Augello sah ihn an. »Was ist los?«, fragte Montalbano. »Du bist dran, das ist los«, sagte Mimi. »Also gut«, sagte der Commissario. »Aber ich muss etwas vorausschicken: Meine Version ist ein Roman. Ich habe nämlich nicht den Schatten eines Beweises für das, was ich sagen werde. Und wie in allen Romanen können die Geschehnisse, während man schreibt, einen anderen Weg einschlagen und zu unerwarteten Ergebnissen führen.«
»Einverstanden«, sagte Augello.
»Wir können von einem ausgehen: Gargano organisiert einen Betrug, der notwendigerweise nicht innerhalb einer Woche abgewickelt werden kann, sondern viel Zeit braucht. Nicht nur das: Er muss eine richtige Organisation mit Büros und Angestellten und all so was auf die Beine stellen. Zu den Leuten, die er in Vigàta einstellt, gehört ein junger Mann namens Giacomo Pellegrino. Nach einer Weile fangen die beiden was miteinander an. Sie verlieben sich ineinander, mit Prostitution hat das nichts zu tun. Die Person, von der ich das weiß, hat auch gesagt, dass ihre Beziehung, obwohl sie sie zu verbergen suchten, an ihrem Verhalten sichtbar wurde. An manchen Tagen lächelten sie sich an, suchten die Nähe des anderen, und an manchen Tagen schmollten sie und vermieden es, miteinander zu reden. Wie zwei Verliebte eben. Stimmt's, Mimi, du verstehst doch was davon?«
»Wieso, du nicht?«, konterte Mimi.
»Das Beste«, fuhr Montalbano fort, »ist, dass ihr beide Recht habt. Eine Geschichte, die von Anfang an zwiespältig war und zwiespältig blieb. Pellegrino ist finanzoman…«
»Halt«, sagte Mimi. »Was heißt das?«
»Finanzoman sind für mich Leute, die sich mit Geld beschäftigen. Nicht mit Landwirtschaft oder Handel oder Industrie oder dem Baugewerbe oder was ihr wollt, sondern mit Geld an sich. Vom Geld als solchem verstehen oder ahnen sie alles, Stunde für Stunde, Minute für Minute. Sie kennen es wie sich selbst, sie wissen, wie das Geld gepinkelt hat, wie es geschissen hat, wie es gegessen hat, wie es geschlafen hat und wie es am Morgen aufgewacht ist, wann es einen guten Tag und wann es einen schlechten Tag hat, wann es Kinder kriegen, das heißt weiteres Geld hervorbringen will, wann es von Selbstmordgedanken getrieben ist, wann es steril sein, sogar wann es einen Fick ohne Folgen haben will. Noch einfacher ausgedrückt, wann sich das Geld zu Höhenflügen aufschwingen oder wann es sich in freien Fall begeben wird, wie die Leute, die sich mit diesen Dingen beschäftigen, in den Nachrichten sagen. Diese finanzomanen Typen nennt man meistens Finanzmagier, Großbankiers, Finanzmogule, Großspekulanten. Ihr Kopf funktioniert allerdings nur in dieser einen Richtung, in allem anderen sind sie unbegabt, ungeschickt, beschränkt, primitiv, sogar richtige Vollidioten, aber naiv sind sie nie.«
»Dieses Bild scheint mir übertrieben«, sagte Augello. »Ach ja? Und deiner Meinung nach war der, der unter der Brücke der >Schwarzen Brüder< in London hing, nicht finanzoman? Und der andere, der vorgab, von der Mafia entführt worden zu sein, sich ins Bein schießen ließ und im Knast vergifteten Kaffee trank? Ich bitte dich!« Mimi wagte nicht zu widersprechen. »Zurück zu Giacomo Pellegrino«, sagte Montalbano. »Er ist ein Finanzomane, der sich mit einem noch größeren Finanzomanen trifft,
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