Commissario Montalbano 07 - Das kalte Lächeln des Meeres
drei Schokoladetafeln aus der Tasche und legte sie Riguccio auf den Tisch.
»Die wollte ich den Kindern mitbringen«, murmelte er.
»Ich bring sie meinem Sohn mit«, sagte Riguccio und steckte sie ein.
Montalbano sah ihn verblüfft an. Er wusste, dass sein Kollege, der seit sechs Jahren verheiratet war, alle Hoffnung auf ein Kind aufgegeben hatte. Riguccio verstand, was dem Commissario durch den Kopf ging.
»Teresa und ich haben einen kleinen Jungen aus Burundi adoptiert. Ah, das hätte ich fast vergessen: Da ist die Brille.«
Catarella war in die Arbeit am Computer vertieft, aber als er den Commissario kommen sah, ließ er alles stehen und liegen und lief ihm entgegen.
»Ah Dottori Dottori!«, fing er an.
»Was machst du denn am Computer?«, fragte Montalbano.
»Da? Eine Indentiverzierung, für den Fazio. Von der Schwimmleiche, die Sie beim Schwimmen getroffen haben.«
»Ist gut. Was wolltest du denn von mir?«
Catarella blickte betreten auf seine Schuhspitzen.
»Und?«
»Ich bitte sehr um Verzeihung, aber ich hab's vergessen, Dottori.«
»Macht nichts, wenn's dir wieder einfällt, kannst du …«
»Ist mir schon wieder eingefallen, Dottori! Der Ponzio Pilato hat wieder angerufen! Ich hab gesagt, was Sie mir gesagt haben, was ich ihm sagen soll, dass Sie mit dem Signor Kaiphas auf dem Rad Sitzung haben, aber er hat's irgendwie nicht kapiert, er hat gesagt, dass ich Ihnen sagen soll, dass er Ihnen was sagen muss.«
»Ist gut, Catare. Wenn er wieder anruft, sag ihm, er soll dir sagen, was er mir sagen will, und das sagst du mir dann.«
»Dottori, Verzeihung, aber jetzt bin ich echt neugierig. Ist der Ponzio Pilato nicht der?«
»Der wer?«
»Der sich in den alten Zeiten die Hände gewaschen hat?«
»Doch.«
»Dann wär also der, der angerufen hat, ein Nachkomme von dem?«
»Frag ihn doch, wenn er wieder anruft. Ist Fazio da?«
»Jawohl, Dottori. Er ist grade gekommen.«
»Schick ihn zu mir.«
»Darf ich mich setzen?«, fragte Fazio. »Mit Verlaub, mir rauchen die Füße vom vielen Laufen. Dabei fang ich gerade erst an.«
Er setzte sich, holte einen Packen Fotos aus der Tasche und reichte ihn dem Commissario.
»Mein Freund vom Erkennungsdienst war früher fertig als gedacht.«
Montalbano sah sich die Fotos an. Sie zeigten das Allerweltsgesicht eines Vierzigjährigen, einmal mit langen Haaren, ein anderes Mal mit Schnauzbart, ein drittes Mal kurz geschoren und so weiter. Doch die Gesichter waren alle irgendwie anonym, ohne jedes Leben in den Augen.
»Da schaut er genauso tot aus«, sagte der Commissario.
»Hätte ich ihn denn zum Leben erwecken sollen?«, polterte Fazio los. »Besser geht das nicht. Wissen Sie noch, wie sein Gesicht ausgesehen hat? Mir werden die Bilder eine große Hilfe sein. Ich habe Catarella Kopien für den Abgleich mit der Kartei gegeben, aber das wird sich hinziehen, die Geschichte ist eine harte Nuss.«
»Das glaube ich gern«, sagte Montalbano. »Aber du bist irgendwie ärgerlich. Ist was?«
»Dottore, vielleicht ist alles umsonst, was ich gemacht hab und was ich noch vor mir habe.«
»Wieso?«
»Wir forschen in den Ortschaften an der Küste nach. Und woher wollen wir wissen, ob man den Mann nicht in irgendeinem Dorf im Inselinneren umgebracht, in einen Kofferraum verfrachtet, an den Strand gekarrt und ins Meer geworfen hat?«
»Das glaube ich nicht. Die Leute, die draußen auf dem Land oder irgendwo im Inneren der Insel umgebracht werden, landen normalerweise in einem Brunnen oder irgendeiner öden Gegend. Ist es denn verboten, erst mal in den Küstenorten nachzuforschen?«
»Meine armen Füße verbieten es mir, Dottore.«
Bevor er ins Bett ging, rief er Livia an. Sie war sauer, weil sie nicht nach Vigàta hatte fliegen können. Montalbano war klug genug, sie sich abreagieren zu lassen, und gab nur hin und wieder ein »hm« von sich, das seine Aufmerksamkeit bekunden sollte. Dann fragte Livia völlig übergangslos:
»Was wolltest du mir denn sagen?«
»Ich?«
»Komm, Salvo. Vorgestern hast du gemeint, du wolltest mir was erzählen, aber nur persönlich. Ich kann nicht persönlich kommen, also sagst du es mir jetzt am Telefon.«
Montalbano verfluchte sich, dass er nicht den Mund gehalten hatte. Wenn Livia vor ihm säße, während er ihr die Geschichte mit dem Kind erzählte, das am Kai Reißaus genommen hatte, hätte er Worte, Tonfall und Gesten entsprechend dosieren können, sodass sie bei der Erinnerung an Francois nicht traurig würde. Bei der
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