Commissario Montalbano 07 - Das kalte Lächeln des Meeres
Wächter hat ihm angeboten, einen Kanister voll bei der Tankstelle unterhalb von Montechiaro zu holen. Der Mann hat ihm hundert Euro Trinkgeld gegeben.«
»Woher er kam, weiß er also nicht.«
»Nein. Und er hat ihn auch noch nie vorher gesehen. Mit dem anderen Mann, der ihn erkannt hat, konnte ich nur kurz sprechen. Er ist Fischer und war auf dem Weg nach Montechiaro, um eine Kiste Fisch zu verkaufen. Und der hat den Mann von dem Foto vor drei, vier Monaten am Strand gesehen.«
»Vor drei oder vier Monaten? Das war doch mitten im Winter! Was wollte der da?«
»Das hat sich der Fischer auch gefragt. Er hatte gerade das Boot an Land gezogen, da sah er auf einem Felsen in der Nähe den Mann von dem Foto.«
»Auf einem Felsen?«
»So ist es. Auf einem dieser Felsen unterhalb der Villa mit der großen Terrasse.«
»Und was hat er da gemacht?«
»Nichts. Er hat aufs Meer geschaut und telefoniert. Der Fischer hat den Mann genau gesehen, denn der hat sich plötzlich zu ihm umgedreht und ihn angeschaut. Er hatte den Eindruck, dass der Mann ihm mit den Augen etwas sagen wollte.«
»Was denn?«
»›Verpiss dich auf der Stelle.‹ Und was soll ich jetzt machen?«
»Ich verstehe nicht. Was meinst du?«
»Soll ich noch weiterforschen?«
»Ach, ich weiß nicht, ich glaube, das ist reine Zeitverschwendung. Fahr zurück nach Vigata.«
Fazio seufzte erleichtert. Diese Nachforscherei war ihm von Anfang an auf den Wecker gegangen.
»Und Sie kommen nicht mit?«
»Ich fahre hinter dir her, aber ich muss dann nach Montechiaro.«
Das war schlichtweg gelogen, er hatte in Montechiaro überhaupt nichts zu tun. Eine Weile fuhr er hinter Fazio her, doch als er den Wagen aus den Augen verlor, wendete er scharf und fuhr zurück. Spigonella hatte ihm zugesetzt.
War es möglich, dass es in der ganzen Siedlung, auch wenn nicht Saison war, kein Lebewesen gab außer dem Zigarre rauchenden Wächter? Er hatte nicht mal einen streunenden Hund oder eine Katze gesehen. Der ideale Ort, wenn man ungestört sein wollte, um beispielsweise heimlich mit einer Frau zusammen zu sein, ein Glücksspiel, eine kleine Orgie oder eine Koksparty zu veranstalten. Man musste nur die Fensterläden gut verschließen, sodass kein Lichtschimmer nach außen drang und niemand darauf kam, was drinnen vor sich ging. Jede Villa hatte ringsum so viel Gelände, dass sicherlich alle Autos innerhalb der Zäune oder Mauern Platz fanden. War das Tor einmal geschlossen, sah es aus, als wäre nie ein Auto gekommen. Während der Fahrt hatte er plötzlich eine Idee. Er hielt an, stieg aus und schlenderte, hin und wieder nach einem weißen Steinchen kickend, gedankenversunken den Weg entlang.
Die lange Flucht des Jungen hatte im Hafen von Vigàta begonnen und in der Nähe von Spigonella geendet. Und mit ziemlicher Gewissheit war er, als er von dem Auto zu Tode gefahren wurde, aus Spigonella geflüchtet.
Der namenlose Tote, den er beim Schwimmen gefunden hatte, war in Spigonella gesehen worden. Und in Spigonella war er höchstwahrscheinlich auch umgebracht worden. Es sah aus, als verliefen die beiden Fälle parallel.
Montalbano dachte an die berühmten »konvergierenden Parallelen« eines von den Roten Brigaden ermordeten Politikers. Liefen die Parallelen etwa im Geisterdorf Spigonella zusammen? Tja, warum nicht?
Aber wo anfangen? Die Namen der Villenbesitzer herausfinden? Ein solches Unterfangen erschien ihm sofort unmöglich. Da die Häuser ausnahmslos schwarz gebaut waren, brachte es nichts, sich im Katasteramt oder im Rathaus zu erkundigen. Entmutigt lehnte er sich an einen Strommast. Als sein Rücken den hölzernen Mast berührte, zuckte er zurück, als ob er einen Schlag bekommen hätte.
Klar, der Strom! Alle Villen mussten mit Elektrizität ausgestattet sein, die Eigentümer hatten also einen Antrag auf Stromanschluss gestellt! Die Begeisterung währte nicht lange. Er wusste jetzt schon die Antwort der Stromgesellschaft: Da es in Spigonella keine Straßennamen und Hausnummern und letztlich nicht mal Spigonella selbst gebe, würden die Rechnungen für Spigonella an die Hauptadressen der Eigentümer geschickt. Diese Eigentümer aufzutun dauere natürlich lange und sei mühsam. Und wenn Montalbano auch noch fragen würde, wie lange, wäre die Antwort von einer fast poetischen Unbestimmtheit. Und wenn er sich bei der Telefongesellschaft erkundigte? Sehr witzig.
Abgesehen davon, dass die Antwort der Telefongesellschaft viel mit der Antwort des Elektrizitätswerkes
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