Commissario Montalbano 10 - Die schwarze Seele des Sommers
sahen sie die in Zellophan verpackten Türen und Fenster. Montalbano bemerkte an einer Wand eine ziemlich große Koffertruhe. Und weil sie weder mit einem Schlüssel noch mit einem Vorhängeschloss gesichert war, öffnete er sie, von Neugier getrieben.
Er sah genauso aus wie Cary Grant in dem alten Film Arsen und Spitzenhäubchen. Schnell schlug er den Deckel wieder zu und setzte sich darauf. Als der Lichtstrahl aus Livias Taschenlampe auf ihn fiel, lächelte er wie ein Honigkuchenpferd. »Warum lächelst du?«
»Ich?! Nein, ich lächle doch nicht.«
»Warum machst du dann so ein Gesicht?«
»Was für ein Gesicht?«
»Was ist in der Koffertruhe?«, fragte Livia wieder.
»Nichts, sie ist leer.«
Konnte er ihr denn sagen, dass er da drinnen eine Leiche gesehen hatte?
Vier
Von dem romantischen Mondscheinspaziergang am Meeressaum kehrten Lauro und Guido zurück, als es schon nach elf war.
»Es war traumhaft!«, rief Laura begeistert. »Genau das habe ich nach so einem Tag gebraucht!« Guido war weniger begeistert, weil Bruno bereits auf halbem Weg von großer Schläfrigkeit übermannt worden war und er ihn auf dem Arm tragen musste. Seit er sich nach dem Besuch der Geisterwohnung wieder mit Livia in den Liegestuhl gesetzt hatte, wurde Montalbano von einem Zweifel gemartert, der größer war als der von Hamlet: sagen oder nicht sagen? Hätte er gesagt, dass sich im unteren Stockwerk eine Leiche befand, wäre ganz zweifellos ein unbeschreibliches Chaos ausgebrochen, das eine höllische Nacht, oder was davon noch übrig war, zur Folge gehabt hätte. Es wäre mehr als sicher, dass Laura sich hartnäckig geweigert hätte, auch nur eine Minute länger unter demselben Dach mit einer unbekannten Leiche zu bleiben, und verlangt hätte, irgendwo anders zu schlafen.
Aber wo? In Marinella gab es kein Gästezimmer. Sie hätten sich wie in einem Feldlager einrichten müssen. Und wie? Er stellte sich vor, wie Laura, Livia und Bruno das Ehebett für sich beansprucht hätten, Guido würde auf dem Sofa und er im Sessel schlafen, und ein Schauder überlief ihn.
Nein, das ging nicht, besser wäre ein Hotel. Aber wo sollte man um Mitternacht in Vigàta ein Hotel finden, das noch geöffnet hatte? Womöglich musste man nach Montelusa fahren und dort eins suchen. Was bedeutete: Telefonanrufe noch und noch, Hin- und Rückfahrt von hier nach Montelusa auch für ihn, weil es ein Gebot der Höflichkeit war, die Gäste zu begleiten, und dann, als Krönung der ganzen Scherereien, die unausweichliche Diskussion mit Livia bis zum Morgengrauen.
»Hättest du denn nicht ein anderes Haus aussuchen können?«
»Liebe Livia, was wusste ich denn davon, dass dort ein Toter liegt.«
»Ach, das wusstest du nicht? Und du willst ein guter Polizist sein?«
Nein, sagte er sich, für den Augenblick ist es besser, keinem was zu sagen.
Wer weiß, wie lange der Tote schon in der Koffertruhe lag, da würde es auf einen Tag mehr oder weniger auch nicht mehr ankommen. Und die Ermittlungen würde das auch nicht beeinträchtigen.
Nachdem sie sich von ihren Freunden verabschiedet hatten, fuhren Montalbano und Livia nach Marinella. Gleich nachdem Livia unter die Dusche gegangen war, rief Montalbano von der Veranda aus Fazio auf dem Handy an und sprach ganz leise. »Fazio? Montalbano hier.«
»Was gibt's, Dottore?«
»Ich hab keine Zeit, dir das zu erklären. Ruf mich in zehn Minuten in Marinella an und sag mir, dass man mich dringend im Kommissariat braucht.«
»Wieso, was ist denn passiert?«
»Frag nicht. Tu, was ich dir gesagt habe.«
»Und danach?«
»Legst du auf und schläfst weiter.«
Fünf Minuten später kam Livia aus dem Bad, und er ging hinein. Während er sich die Zähne putzte, hörte er das Telefon klingeln. Wie er vorausgesehen hatte, antwortete Livia. Das würde das Schmierentheater, das er inszeniert hatte, umso glaubwürdiger machen. »Salvo, da ist Fazio am Telefon!«
Er ging mit der Zahnbürste im Mund und mit zahnpastaverschmierten Lippen ins Esszimmer und brummelte, weil sie ihn anblickte, etwas, das ganz in Livias Sinn war: »Wieso kann man eigentlich nicht mal um diese Uhrzeit in Frieden gelassen werden?« Ruppig nahm er den Hörer in die Hand: »Was ist?«
»Sie werden augenblicklich im Kommissariat gebraucht.«
»Könnt ihr das denn nicht alleine machen? Nicht? Na gut, ich komme.«
Er knallte den Hörer auf und tat so, als wäre er wütend: »Werden die eigentlich nie erwachsen? Brauchen die denn immer die Hilfe von Papa?
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