Commissario Montalbano 10 - Die schwarze Seele des Sommers
verwandelt. Aber Bruno war da. Er stand aufrecht in einer Ecke und kniff die Augen zusammen. Er hatte einen Schnitt an der Stirn und zitterte am ganzen Leib, als hätte er Malariafieber.
»Bruno, ich bin's, Salvo«, sagte der Commissario leise.
Der Kleine öffnete die Augen, erkannte ihn, lief mit ausgestreckten Ärmchen zu ihm, Montalbano schloss ihn in seine Arme, und Bruno fing an zu weinen. In diesem Augenblick kam Guido ins Zimmer, der das Warten nicht mehr länger ausgehalten hatte.
»Livia? Bruno ist gerettet.«
»Ist er verletzt?«
»Er hat einen Schnitt an der Stirn, aber nichts Schlimmes, glaub ich. Jedenfalls bringt Guido ihn jetzt zur Notaufnahme nach Montereale. Sag's Laura, und wenn sie will, begleite sie dahin. Ich erwarte euch dann alle hier.«
Der Feuerwehrkommandant kam durch das Fenster heraus, durch das Montalbano eingestiegen war. Er wirkte völlig überrascht.
»Hier unten gibt es ja haargenau die gleiche Wohnung wie oben. Es gibt sogar eine von einem Geländer geschützte Terrasse. Man muss nur die Fenster und Türen einsetzen, die im Wohnzimmer an der Wand lehnen, und im Handumdrehen wird sie bewohnbar! Stellen Sie sich vor, sogar das Wasser ist angeschlossen! Und die Stromleitung ist auch schon gelegt. Nur verstehe ich nicht, warum sie sie vergraben haben!«
Montalbano aber hatte sich eine genaue Vorstellung gemacht.
»Ich glaube, ich habe eine Erklärung dafür. Ganz sicher war ursprünglich eine Baugenehmigung erteilt worden, die den Bau einer Villetta ohne jede Möglichkeit einer Aufstockung vorsah. Der Eigentümer dagegen hat, im Einvernehmen mit dem Planer und Bauunternehmer, das Haus so bauen lassen, wie man es jetzt sieht. Danach hat er das Erdgeschoss mit Sandstein zukippen lassen, und so ist lediglich das obere Stockwerk sichtbar gewesen, das seinerseits nun zum Erdgeschoss wurde.«
»Schön, aber warum hat er das getan?«
»Er hat auf eine Bau-Amnestie gewartet. Sobald sie von der Regierung verabschiedet worden wäre, hätte er in einer einzigen Nacht die Erde beseitigen lassen, die die andere Wohnung versteckte, und eilig einen Antrag auf Amnestie gestellt. Sonst hätte er riskiert, auch wenn das in unserem Teil der Welt äußerst unwahrscheinlich ist, dass der Abriss verfügt worden wäre.« Der Feuerwehrkommandant fing an zu lachen. »Von was für einem Abriss reden Sie denn? Hier gibt es doch ganze Dörfer und Ortschaften, die gesetzwidrig gebaut worden sind.«
»Schon, aber ich habe gehört, dass der Eigentümer in Deutschland gelebt hat. Ist ja möglich, dass er unsere wunderschönen Bräuche vergessen hatte und deshalb überzeugt war, dass man hier ebenso viel Respekt vor dem Gesetz hat wie in Köln.«
Der Feuerwehrkommandant wirkte wenig überzeugt. »Einverstanden, aber diese Regierung hat doch eine Amnestie nach der anderen verabschiedet! Wieso dann …«
»Ich habe gehört, dass er vor ein paar Jahren gestorben ist.«
»Was machen wir also? Sollen wir alles wieder so herrichten, wie es war?«
»Nein, lasst alles, wie es ist. Können daraus Folgen entstehen?«
»Für das obere Stockwerk? Bestimmt nicht.«
»Ich will diese nette Arbeit doch mal dem Chef des Maklerbüros zeigen, der die Villetta vermietet hat.«
Als er allein war, duschte er, trocknete sich in der Sonne und zog sich wieder an. Er nahm sich noch eine Flasche Bier. Er hatte einen gewaltigen Appetit bekommen. Wieso nur verspätete sich die gesamte Truppe? »Livia? Seid ihr immer noch in der Notaufnahme?«
»Nein, wir sind auf dem Weg zu dir. Bruno hat nichts abbekommen.«
Er beendete das Gespräch und wählte dann die Nummer von Enzos Trattoria.
»Montalbano hier. Ich weiß, es ist spät und ihr schließt gleich. Aber wenn wir zu viert mit einem kleinen Kind in höchstens einer halben Stunde da wären, würden wir dann noch etwas zu essen bekommen?«
»Für Sie, Commissario, ist immer geöffnet.«
Wie immer rief eine Gefahr, der man entronnen war, so viel Gelächter und einen derartigen Appetit hervor, dass Enzo, der sie ununterbrochen lachen hörte und so viel essen sah, dass man meinen konnte, sie hätten eine Woche lang gefastet, sie fragte, was es denn zu feiern gebe. Bruno zappelte herum wie von der Tarantel gestochen, ließ erst das Besteck auf den Boden fallen, dann ein Glas, das zum Glück nicht zerbrach, und kippte schließlich die kleine Flasche mit Öl auf Montalbanos Hose. Für einen flüchtigen Augenblick bereute es der Commissario, dass man ihn so früh wiedergefunden
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