Commissario Montalbano 10 - Die schwarze Seele des Sommers
verständigen ließ, wollte er mit Dottor Pasquano sprechen und sich vergewissern, dass die Identifizierung zutraf. »Catarella!«
»Hier bin ich, Dottori.«
»Komm und nimm die Karteikarte der Kleinen mit und schick sie unverzüglich an Dottor Tommaseo.« Nachdem Catarella die Karte mitgenommen hatte, legte Montalbano los.
»Wieso hast du den ganzen Vormittag gebraucht, um die Namen zu finden?«
»Nicht ich musste die finden, sondern der Landvermesser Spitaleri.«
»Haben die denn keinen Computer oder irgendeine Karteikartensammlung?«
»Haben sie, aber im Büro bewahren sie lediglich die Daten der letzten fünf Jahre auf, und weil die Villetta vor sechs Jahren gebaut wurde …«
»Und wo bewahren sie die anderen auf?«
»Im Haus der Schwester des Landvermessers, die aber nach Montelusa gefahren war. Also mussten wir warten, bis sie zurückkam.«
»Ich verstehe nicht, wieso er diese Dokumente im Haus seiner Schwester aufbewahrt.«
»Ich schon.«
»Erklär mir das.«
»Wegen der Finanzpolizei, Dottore. Für den Fall eines unverhofften Besuchs der Guardia di Finanza. Auf diese Weise hat der Landvermesser Zeit, die Schwester zu benachrichtigen. Und die ist entsprechend instruiert worden, sie weiß genau, welche Dokumente sie ins Büro des Bruders bringen soll und welche nicht. Hab ich mich deutlich ausgedrückt?«
»Vollkommen.«
»Also, die Maurer, die…«, fing Fazio an.
»Warte. Wir hatten noch keine Möglichkeit, über Spitaleri zu reden.«
»Was die Ermordung des jungen Mädchens angeht…«
»Nein. Für den Augenblick will ich über den Baulöwen Spitaleri sprechen. Nicht über den Landvermesser Spitaleri, der auf minderjährige Mädchen steht. Über den reden wir später. Was hattest du für einen Eindruck?«
»Dottore, der hat ein verdammt schlechtes Gewissen. Als wir für ihn diese Geschichte erfunden haben, dass die Obduktion keinen Alkohol im Blut des Arabers nachgewiesen hätte, sondern einzig und allein auf seinen Kleidungsstücken, hatte er weder Äh noch Bäh gesagt. Aber eigentlich hätte der sich doch wundern müssen oder sagen, dass das nicht stimmen könne.«
»Also hat man den armen Kerl von Araber nach seinem Tod mit Wein vollgepumpt, um andere glauben zu machen, er wäre betrunken gewesen.«
»Wie ist die Sache Ihrer Meinung nach gelaufen?«
»Während du bei Spitaleri warst, habe ich den Polier Dipasquale herkommen lassen und vernommen. Meiner Meinung nach stürzt der Araber vom ungesicherten Gerüst, und keiner seiner Kumpel kriegt etwas davon mit. Vielleicht hatte er ja allein in einem abgelegenen Teil des Baus gearbeitet. Der Wachmann, der Filiberto Attanasio heißt, kriegt es erst mit, nachdem alle anderen schon weg sind, und ruft Dipasquale an, der seinerseits Spitaleri informiert. Was hast du? Hörst du mir überhaupt zu?«
Fazio war in Gedanken versunken.
»Wie, haben Sie gesagt, heißt der Wachmann?«
«Filiberto Attanasio.«
»Entschuldigen Sie mich einen Augenblick?« Er stand auf, ging hinaus, kam fünf Minuten später wieder zurück und hielt eine Karteikarte in der Hand. »Ich hab mich doch richtig erinnert.« Er reichte Montalbano die Karteikarte. Filiberto Attanasio war mehrfach wegen Diebstahls, schwerer Körperverletzung, versuchten Mordes und bewaffneten Raubes verurteilt worden. Das Foto zeigte einen kahlköpfigen Fünfzigjährigen mit unförmig großer Nase. Er war als Gewohnheitsverbrecher eingestuft.
»Gut zu wissen«, war der Kommentar des Commissario. Und er fuhr fort:
»Vom Wachmann informiert, kommen Spitaleri und Dipasquale herbeigeeilt, sehen die Bescherung und beschließen, ihren Arsch zu retten, indem sie das Sicherheitsgeländer, das nicht da ist, am Sonntagmorgen in aller Frühe montieren. Sie pumpen die Leiche mit Wein voll und gehen dann schlafen. Am nächsten Morgen ist, dank der Hilfe des Wachmanns, alles so, wie es scheinen soll.«
»Und Commissario Lozupone schluckt es.«
»Glaubst du das? Kennst du Lozupone?«
»Nein. Aber ich weiß genau, wer er ist.«
»Ich kenne ihn schon lange. Nicht…« Das Telefon klingelte.
»Dottori? Da wäre am Telefon der Ermittlungsrichter Dommaseo, der mit Ihnen persönlich selber sprechen will.«
»Stell ihn durch.«
»Montalbano? Tommaseo.«
»Tommaseo? Montalbano.«
Der Ermittlungsrichter kam durcheinander. »Ich wollte Ihnen sagen … ach, ja… Ich habe das Kartei-Foto gesehen. Was für ein fabelhaft schönes Mädchen!«
»Tja.«
»Vergewaltigt und dann abgestochen!«
»Hat Dottor
Weitere Kostenlose Bücher