Commissario Montalbano 10 - Die schwarze Seele des Sommers
sicher, dass …«
»Sprechen Sie ruhig weiter.«
»Erinnern Sie sich, was ich Ihnen beim letzten Mal erzählt habe? Das hier ist das Mädchen, hinter dem Ralf herrannte und das dann von Spitaleri gerettet wurde.« Augenblicklich merkte Dipasquale, dass er einen Fehler gemacht hatte. Er hatte geredet, ohne nachzudenken, und dabei Spitaleri ins Spiel gebracht. Er versuchte, den Patzer auszubügeln.
»Oder vielleicht auch nicht. Genauer gesagt, nicht mal vielleicht. Ich irre mich. Das hier ist die Zwillingsschwester, da bin ich mir ganz sicher.«
»Haben Sie die beiden oft gesehen?«
»Nicht oft. Manchmal. Um nach Pizzo zu kommen, musste man notwendigerweise an dem Haus vorbeifahren.«
»Wie kommt es, dass Miccichè sagt, er hätte sie nie gesehen?«
»Commissario, die Maurer gingen um sieben in der Frühe zur Baustelle. Um diese Zeit schliefen die beiden Mädchen noch. Und sie machten um halb sechs Feierabend, da waren die Mädchen wahrscheinlich noch am Strand. Ich aber fuhr öfter hin und her.«
»Wie war das bei Spitaleri?«
»Der kam nur selten.«
»Danke, Sie können gehen«, sagte Montalbano abschließend.
»Was halten Sie von Dipasquales Alibi?«, fragte Fazio, nachdem der Polier hinausgegangen war. »Es kann echt sein, es kann aber auch falsch sein. Es beruht auf einem Anruf von Spitaleri, von dem wir nicht wissen, ob er wirklich gemacht wurde.«
»Wir könnten die Sekretärin befragen.«
»Machst du Witze? Die Sekretärin tut und sagt doch alles, was Spitaleri ihr aufträgt. Andernfalls würde sie sofort gefeuert. Und so, wie hier alle händeringend nach Arbeit suchen, wird sie ihre Stelle bestimmt nicht aufs Spiel setzen.«
»Wie es aussieht, kommen wir keinen Schritt weiter.«
»Scheint mir auch so. Hören wir mal, was Adriana uns morgen zu erzählen hat.«
»Erklären Sie mir, wieso Sie mit Filiberto sprechen wollen?«
»Ich will doch gar nicht mit ihm sprechen. Ich wollte nur sehen, wie Dipasquale reagiert. Ob er wegen neulich Nacht uns in Verdacht hat.«
»Kam mir vor, als hätten sie noch gar nicht an uns gedacht.«
»Früher oder später kommen sie drauf.«
»Und was werden sie dann tun?«
»Meiner Meinung nach werden sie das uns gegenüber nicht kundtun. Spitaleri wird zu seinen Beschützerfreunden gehen und sich beklagen, und die werden dann irgendetwas machen.«
»Und was?«
»Fazio, erst mal schauen wir zu, wie die sich schön das Hirn zermartern, danach fangen wir dann an zu weinen.«
»Gut«, setzte Fazio an, »ich mach mich dann mal auf…« Er wurde durch einen Knall unterbrochen, der fast so laut war wie Kanonendonner. Es war die Tür, die gegen die Wand knallte. Catarella stand noch mit einem erhobenen Arm und einer geschlossenen Faust da, in der anderen Hand hielt er einen Briefumschlag.
»Entschuldigen Sie diesen Lärm, Dottori. Gerade eben wurde dieser Brief gebracht.«
»Gib ihn mir und verschwinde, bevor ich dich niederknalle.«
Es war ein großer Briefumschlag mit zwei Fax-Seiten darin, der aus Deutschland gekommen war, adressiert an das Maklerbüro Callara.
»Hör dir das ruhig auch an, Fazio. Hier ist die Mitteilung über Ralfs Tod. Die hatte Callara mir schon angekündigt.«
Montalbano las sie laut vor.
Werter Signore,
vor drei Monaten habe ich zufällig in einer Zeitung eine Notiz gelesen, die ich Ihnen in Kopie mit Übersetzung zuschicke.
Sofort habe ich - vielleicht aus mütterlichem Instinkt - gespürt, dass diese erbärmlichen Überreste die meines armen Ralf sein mussten, den ich in all den Jahren zurückerwartet habe.
Ich habe darum gebeten, dass ein Abgleich zwischen seiner DNA und meiner vorgenommen wurde. Es war durchaus nicht leicht, die Genehmigung zu erhalten, ich habe lange darauf beharren müssen.
Endlich ist vor einigen Tagen das Ergebnis eingetroffen. Die Daten stimmmen eindeutig überein, die Überreste sind, ohne den Hauch eines Zweifels, die meines armen Sohnes Ralf Weil keine Spur von Kleidungsstücken gefunden wurde, ist die Polizei der Ansicht, dass Ralf auf der Fahrt nach Köln nachts aufgestanden sein muss, um auf die Toilette zu gehen, irrtümlicherweise jedoch die Zugtür geöffnet hat und ins Leere gestürzt ist.
Diese sizilianische Villa hat uns in tiefes Unglück gestürzt, sie hat meinem Sohn Ralf den Tod gebracht und meinem Ehemann Angelo auch, der nach der Reise nach Sizilien und sicher wegen des Verschwindens von Ralf nicht mehr derselbe war.
Dies ist der Grund, weshalb ich die Villa verkaufen möchte. Ich
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