Commissario Montalbano 10 - Die schwarze Seele des Sommers
Zitrone angemacht werden musste. Klugerweise hatte Adelina ihm ein kaltes Gericht zubereitet. Auf der Veranda wehte ein frisch geborenes Lüftchen, es war ziemlich schwach und schaffte es nicht, die undurchdringbare Hitzemasse zu bewegen, die zu Beginn der Nacht immer noch da war, aber dieses Lüftchen war besser als nichts.
Er zog sich aus, schlüpfte in eine Badehose, lief zum Wasser und stürzte sich hinein. Er schwamm lange, mit weit ausholenden, leichten Armschlägen. Danach kehrte er ans Ufer zurück, ging ins Haus, deckte den kleinen Tisch auf der Veranda und fing an zu essen. Und weil er anschließend noch immer Appetit hatte, stellte er einen kleinen Teller mit Oliven, trockenen Feigen und einem Stück Caciocavallo zusammen, der nach gutem Wein rief, ja nach ihm verlangte.
Das Lüftchen auf der Veranda war von der Kindheit zur Jugend übergegangen, und das spürte man. Er beschloss, den günstigen Augenblick, in dem die Gedanken sich wegen der Hitze nicht verhedderten, zu nutzen, um über die Ermittlung nachzudenken, die er gerade durchführte. Er befreite den Tisch von Tellern, Besteck und Gläsern und legte an ihrer Stelle ein paar Blatt Papier hin.
Und weil er sich keine Notizen machen mochte, beschloss er, sich einen Brief zu schreiben, wie er es manchmal tat.
Lieber Montalbano,
ich sehe mich gezwungen festzustellen, dass Dein Denkvermögen - sei es aufgrund einer fortschreitenden senilen Verkindlichung, sei es wegen der großen Hitze dieser Tage - jeden Glanz eingebüßt hat; Deine Gedanken sind extrem stumpf geworden und bewegen sich schwerfällig. Das hast Du ja auch selbst während des Gesprächs mit Dottor Pasquano feststellen können, in dem er haushoch nach Punkten gewann.
Pasquano hat zwei Hypothesen über den Umstand aufgestellt, dass der Mörder die Kleidungsstücke des Mädchens mitgenommen hat: Zum Ersten handele es sich dabei um eine irrationale Geste; zum Zweiten habe der Mörder sie mitgenommen, weil er ein Fetischist sei. Das sind mögliche Hypothesen.
Aber es kann auch eine dritte geben. Die ist Dir eingefallen, als Du heute mit Fazio gesprochen hast. Genauer gesagt: Der Mörder hat die Kleidungsstücke an sich genommen, weil sie voller Blut waren. Voller Blut, das aus der Kehle des Mädchens geschossen ist, als er es umgebracht hat.
Doch die Dinge können sich auf verschiedene Weise abgespielt haben. Dazu muss man einen Schritt zurück gehen.
Sowohl, als Du die Leiche entdeckt hast, wie auch, als Du sie von Callara hast entdecken lassen, hast Du den großen Blutfleck neben der Fenstertür nicht gesehen, und Du hast ihn aus dem einfachen Grund nicht gesehen, weil er mit bloßem Auge nicht erkennbar war. Die von der Spurensicherung dagegen haben ihn entdeckt, weil sie Luminol verwendet haben.
Hätte der Mörder den großen Fleck so zurückgelassen, wie er sich auf dem Boden gebildet hatte, wären ein paar Spuren von getrocknetem Blut, auch nach sechs Jahren noch, auf den Fliesen verblieben. Stattdessen war nichts zu sehen.
Was bedeutet das?
Das bedeutet, dass der Mann, nachdem er das Mädchen umgebracht hatte, es eingepackt und in die Koffertruhe gesteckt hatte, die Kleidungsstücke zum Aufwischen des Blutflecks, und sei es auch nur oberflächlich, benutzte. Er hat die Kleidungsstücke anschließend ein bisschen durchs Wasser gezogen, denn die Wasserhähne funktionierten ja. Danach hat er sie in eine Plastiktüte gesteckt, die er dort vorgefunden oder auch mitgebracht hatte. Die Frage ist nun: Wieso hat er sich der Kleider nicht entledigt, indem er die Plastiktüte auf die Leiche warf? Die Antwort lautet: Dazu hätte er die Koffertruhe wieder öffnen müssen.
Und das war ihm unmöglich, denn das hätte bedeutet, sich ein Ereignis, eine Realität um die Ohren schlagen zu lassen, mit deren Verdrängung er bereits angefangen hatte.
Pasquano hat recht: Der Mörder hat die Leiche versteckt, damit er sie nicht mehr sehen musste, nicht, um sie vor uns zu verbergen.
Es gibt eine weitere wichtige Frage. Sie ist zwar schon gestellt worden, aber es ist gut, sie noch einmal zu wiederholen: War es notwendig, das Mädchen umzubringen? Und warum?
Hinsichtlich des Warum hatte Pasquano die Möglichkeit einer Erpressung oder eines plötzlichen, nicht zu zügelnden Wutanfalls wegen eingetretener Impotenz angedeutet. Meine Antwort lautet: Ja, es war notwendig. Doch nur aus einem einzigen Grund, und der ist ein ganz anderer. Nämlich folgender: Das Mädchen kannte den Täter. Der Mörder muss
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