Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman
schluchzend auf dem Bett lag? Vermutlich war sie ganz froh, den Alten los zu sein. Wenn sie nicht sogar selbst ihre Hände im Spiel hatte und sich gerade ins Fäustchen lachte.
Dieses Bild im Kopf, musste sich der Commissario zwingen, nicht erst recht heftig an die Tür zu wummern. Als er auf sein Klopfen keine Antwort bekam, drückte er versuchsweise die Klinke herunter. Die Tür war nicht abgeschlossen, und er trat ein. Vor ihm lag ein großes Zimmer, in dem verschiedene Pastelltöne dominierten. Am Fenster stand ein großer Toilettentisch aus hellem Holz. Eindeutig das Boudoir einer Dame. Das Zimmer war leer. Doch bevor er sich wieder zurückziehen konnte, um sich auf die Suche nach Louisa Felderer zu machen, öffnete sich eine Tür im hinteren Teil des Raumes, und die junge Frau, die er das letzte Mal am Morgen nach der Ermordung ihres Mannes gesehen hatte, trat ein.
Sie war komplett angezogen. Ihr Babybauch wölbte sich beträchtlich in den Umstandsjeans, die sie trug. Die Frau musste unmittelbar vor der Niederkunft stehen. Louisas Gesicht war stark gerötet, die Augen allerdings nicht, wie der Commissario bemerkte. Mit einem Handtuch wischte sie über ihre Stirn und ihren nassen Haaransatz.
»Entschuldigung, dass ich hier einfach so eindringe«, sagte Pavarotti. »Aber ich habe geklopft. Als niemand geantwortet hat, dachte ich, Sie brauchen vielleicht Hilfe.«
»Ist schon in Ordnung«, gab Louisa ruhig zurück. »Mir ist klar, dass Sie meine Aussage haben müssen. Ich hab Sie schon früher erwartet.« Sie wies mit der Hand auf zwei chintzbezogene Sesselchen am Fenster. »Der Arzt wollte mir ein Schlafmittel geben, aber ich brauche es nicht. Ich habe zwar einen ziemlichen Schrecken bekommen, aber jetzt geht’s wieder.«
Pavarotti nickte und beäugte die rosa-beige gestreifte Sitzgelegenheit, die definitiv nicht in der Lage war, sein gesamtes Hinterteil aufzunehmen. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als sich mittels einer krummen, äußerst unbequemen Sitzhaltung mit dem Fauteuil zu arrangieren.
»Frau Felderer –«, setzte Pavarotti an, wurde aber unterbrochen.
»Bitte nennen Sie mich Louisa, oder, wenn Ihnen das zu persönlich ist, Frau von Gartenstedt. Ich werde wieder meinen Mädchennamen annehmen. Von den Felderers ist ja jetzt eh keiner mehr da. In die Familie hab ich sowieso nie reingepasst.«
»Louisa von Gartenstedt«, wiederholte Pavarotti. »Klingt nicht unbedingt nach Südtiroler Abstammung. Ihr Dialekt im Übrigen auch nicht. Sind Sie Deutsche?«
Louisa nickte. »Ja, aus Frankfurt am Main. Sobald das Kind auf der Welt ist, geh ich dorthin zurück.« Sie stutzte plötzlich. »Warum wissen Sie das eigentlich nicht? Aus Frankfurt stammt ja auch Ihre Bekannte, Frau von Spiegel. Lissie und ich haben neulich festgestellt, dass sich unsere Familien sogar flüchtig kennen. Hat sie Ihnen das nicht erzählt?«
»Nein, das hat sie nicht.« Pavarotti unterdrückte ein Zähneknirschen. Er hätte gerne gewusst, welche Informationen ihm Lissie in den vergangenen Tagen sonst noch vorenthalten hatte. Bestimmt eine ganze Menge. Er würde sie beim nächsten Treffen ordentlich in die Zange nehmen, so viel war klar. Er war sich sicher, dass sie ihn, sooft es ging, außen vor ließ, um ungestört Privatermittlungen anzustellen.
Laut sagte er zu Louisa: »Nun gut, Frau von Gartenstedt. Bitte schildern Sie mir, wie Sie Ihren Schwiegervater heute Morgen gefunden haben.«
Louisa von Gartenstedt faltete die Hände über ihrem voluminösen Bauch und dachte ein paar Sekunden nach, bevor sie antwortete. »Ich bin so gegen fünf wach geworden, wovon, weiß ich nicht. Aber es muss nicht sein, dass da ein Geräusch war. Ich schlafe schon seit ein paar Wochen schlecht und wache in der Nacht häufig auf.« Sie schaute anklagend auf ihren Bauch herunter. »Das Kind lässt mir keine Ruh. Es wird Zeit, dass es endlich kommt.«
»Warum sind Sie dann überhaupt aufgestanden?«
Die junge Frau zuckte mit den Achseln. »Na ja, ich hatte Durst. Ich wollte mir aus dem Kühlschrank eine Flasche Wasser holen. Ich bin also aufgestanden, hab mir meinen Morgenmantel übergeworfen und bin ins Erdgeschoss gegangen. Unten habe ich gesehen, dass die Tür zum Hoteltrakt einen Spalt offen stand. Das hat mich beunruhigt, und ich hab gedacht, es schadet nichts, wenn ich nach dem Rechten sehe. Ich hab durch die Tür ins Hotel geguckt, da war aber alles dunkel. Ich dachte mir, vielleicht hat mein Schwiegervater die Tür offen stehen lassen,
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