Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman
anfangen müssen, die guten Sachen zu verkaufen, weil er wieder Bargeld will.« Viola Matern biss sich auf die Lippe. »Richtig verzweifelt klangen die. Und da hab ich mir gedacht, dass ich scharf aufpassen muss, wenn es so weit ist, dass der Vater den Batzen Geld bekommt. Ich wollt ja nicht, dass er das schöne Geld am End verbrennt oder verschenkt oder so.«
Pavarotti wurde jetzt einiges klar. »Haben Sie sich deshalb an den Alten herangemacht, sich in sein Vertrauen geschlichen und für ihn spioniert? Damit Sie im Bilde waren, wann der Verkauf an die Italiener über die Bühne gehen würde?«
Viola Matern zupfte an ihren Fingern herum und nickte. »Da ist aber was schiefgegangen. Der Emil wollt nach Karls Tod mit dem Preis noch ein bissel hochgehen. Ich soll mal hören, was die so reden und wie viel die zahlen wollen, hat er mir gesagt. Am nächsten Tag haben die in der Aurora-Lobby die Rechnung verlangt. Ich hab mitgekriegt, dass sie abreisen wollen, weil der Preis absurd sei. Absurd, so haben die gesagt.« Sie schaute wieder auf ihre Hände. Plötzlich grinste sie wie eine magere Füchsin. »Wenn der alte Felderer gewusst hätt, dass ich die Tochter vom Aschenbrenner bin!«
Dann wurde sie wieder ernst. »Ab da war mir zumindest klar, dass der Vater nicht bloß daherredet.« Sie schaute sich um. »Aber hier ist nix. Wahrscheinlich hat er alles, was er dem Felderer schon abgenommen hat, im Kamin verbrannt, oder er hat’s einfach in den Abfall geschmissen.«
Pavarotti fasste unter sich. Irgendetwas hatte sich unter seinem Allerwertesten verhakt. Er zog ein weißes Plastikkärtchen hervor, das an einem Anhänger mit Klemmverschluss befestigt war. Es war nicht zu fassen. Kopfschüttelnd hielt er die Karte Viola Matern vor die Nase.
»Geh ich recht in der Annahme, dass das Ihre Zugangskarte für das Hotel ist? Wie kommt die hierher?« Eine solche Nachlässigkeit, und das in einer Vertrauensstellung. Ihn überkam ein unbändiger Zorn. »Mit Ihrer Karte hat sich Ihr Vater Zutritt zu Emil Felderers Büro verschafft, nicht wahr?«, fragte er kalt.
»Kann schon sein. Die Karte war vorgestern plötzlich weg. Ich hab gemeint, ich find sie bestimmt wieder.« Die Frau zuckte die Schultern. »Aber als dann der Alte tot war, hab ich mir gleich gedacht, dass der Vater sie hat.«
»Warum sind Sie gestern eigentlich wirklich Frau von Spiegel hinterher? Doch wohl nicht, weil Sie verhindern wollten, dass die irgendwas in der Zeitung schreibt?«
Zum ersten Mal wirkte Viola Matern ehrlich bedrückt. »Nein. Ich hatte Angst, dass der Vater die auch umbringt, weil es ihm jetzt sowieso nicht mehr drauf ankommt. Da hab ich die Panik gekriegt. Diese Deutsche, die ist da ja bloß reingeraten. Und ich find, es reicht langsam.«
Es reichte langsam? Und vorher hatte es noch nicht gereicht? Wütend hievte sich Pavarotti hoch. Das Sofa war ja nicht zumutbar. Und die Frau auch nicht. »Frau Matern, ich muss Sie bitten, mit uns auf die Wache zu kommen. Ich nehme Sie wegen Mittäterschaft bei Erpressung in Haft. Sie sollten einen Anwalt nehmen. Emmenegger, erklären Sie der Dame ihre Rechte.«
Er trat ans Fenster. Das Kreuz tat ihm plötzlich furchtbar weh. Als er sich beim Durchstrecken seines Rückens mit dem Ellenbogen auf dem Fensterbrett aufstützte, kippte die Sandsteinplatte weg. Pavarotti konnte sie gerade noch auffangen, bevor sie ihm auf den Fuß fiel. Er stieß einen überraschten Ruf aus, als er sah, dass sich unter dem Fensterbrett ein Hohlraum befand. »Emmenegger, kommen Sie mal her!«
Der Sergente eilte herbei und griff mit seiner behandschuhten rechten Hand in die Öffnung.
Plötzlich wirbelten lauter Kugeln aus zerknülltem Papier durch die Luft. Es waren bestimmt mehrere Dutzend. Pavarotti griff nach einer Kugel und strich das Papier glatt. Es war ein Schuldschein über hunderttausend Lire, ausgestellt von Emil Felderer an Peter Aschenbrenner. Der Schuldschein trug ein Datum aus dem Dezember 1992. Er war vor fast zwanzig Jahren ausgestellt worden.
* * *
Vorsichtig zog Lissie die Tür zum Krankenzimmer 533 hinter sich zu. Sie musste machen, dass sie wieder in ihr eigenes Zimmer kam. Der kleine Hochleitner war am Schluss mitten im Satz eingeschlafen. Wie mager und viel zu klein für sein Alter der Junge ausgesehen hatte, als er da im Bett an seinem Tropf hing! Lissie hatte ein schlechtes Gewissen gehabt, dass sie ihn nicht einfach in Ruhe ließ.
In ihrem Zimmer zog sie geistesabwesend ihren Morgenmantel aus. Ihr
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