Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman
die ganze Mischpoke, egal wer es war, hart anpacken und gnadenlos in die Zange nehmen. Die Kripo war schließlich Sache des italienischen Staates, und das war, verdammt noch mal, auch gut so. Da konnten sich die Südtiroler mitsamt ihrer Autonomie auf den Kopf stellen und mit den Beinen wackeln.
Pavarotti streckte die Hand nach dem Absperrband aus und seufzte. In englischen und amerikanischen Kriminalromanen stemmten sich die lokalen Kriminaler mit aller Kraft gegen eine Einmischung von weiter oben, weil sie ihre Fälle selbst lösen wollten. Wenn in Meran hingegen ein Fall hochkochte, dann konnte man darauf wetten, dass der Meraner Kripokollege Filseder, der hier stationiert war, entweder im Urlaub, auf einer Schulung oder krank war. Diesmal war es offenbar eine Schulung bei den österreichischen Kollegen, in Salzburg. Salzburg war nett, zweifellos, aber dass sich jemand freiwillig ein Seminar mit irgendwelchen Besserwissern antat, war Pavarotti ein Rätsel. Urlaub nahm er auch selten, weil er mit Freizeit nichts anzufangen wusste, und krank war er so gut wie nie. Mit dem Effekt, dass er praktisch immer verfügbar war.
Pavarotti vermutete, dass der Meraner Polizeichef Alberti bei Notfällen gar nicht mehr nach Filseder fragte, sondern reflexartig einen telefonischen Hilferuf nach Bozen losließ. Wie auch an diesem Morgen. Pavarottis Boss, der Polizeichef der Quästur Bozen, Vice Questore Briboni, hatte dem Amtshilfeersuchen wie üblich zugestimmt, ohne dem Lamento Pavarottis Beachtung zu schenken. Pavarotti seufzte erneut. Grundsätzlich hatte er nichts gegen eine Chance, sich aus dem unmittelbaren Bannkreis seines Vorgesetzten zu entfernen. Aber Meran war eben keine Lustreise, sondern kam einer temporären Strafversetzung gleich.
Vorsichtig hob er das linke Bein, grunzte und hievte sich über die Absperrung. Es fiel ihm schwer, sich auf den Tatort zu konzentrieren, den er gleich zu Gesicht bekommen würde, weil er innerlich immer noch mit seinem Schicksal haderte. Aber gegen den Umstand, dass die Schwester seines Vorgesetzten die Ehefrau des Meraner Polizeichefs war, ließ sich nun einmal nichts machen.
Pavarotti verdrehte die Augen, als er an die zähen Befragungen dachte, die ihm bevorstanden, und nahm widerstrebend die vor ihm liegende Szenerie in Augenschein. Normalerweise war es in den Meraner Laubendurchgängen auch am helllichten Tag dämmerig. Im Moment allerdings verwandelte das gleißende Licht von Hochleistungsstrahlern, die das Team der Spurensicherung aufgestellt hatte, den Laubendurchgang in eine Art Filmset. Wie für Dreharbeiten ausgeleuchtet lag der Körper da, zusammengekrümmt und nur ein paar Meter vom Eingang des Gangs entfernt.
Pavarotti streifte Schutzüberzüge über seine Schuhe und ging neben der Leiche in die Hocke. Er verzog das Gesicht, als ihm ein beißender Gestank in die Nase stieg. Der Tote lag in einer Urinlache. Pavarotti schätzte ihn auf Anfang vierzig, der Körper machte einen kräftigen, muskulösen Eindruck. Er hatte eine ausgeprägte Kieferpartie und war auf eine markige Art gut aussehend. Soweit man das in dem Zustand, in dem sich das Gesicht befand, überhaupt erkennen konnte. Sowohl der Hinterkopf als auch die linke Kopfseite waren eingedrückt und mit verkrustetem Blut verschmiert. In den Wunden waren Knochenteilchen zu sehen und Gehirnmasse, die in dem hellen Licht weißlich schimmerte.
»Brunthaler, Emmenegger, kommt mal her!«
Widerstrebend rückten die beiden Uniformierten näher. Als die angestrahlte Leiche mit ihren dramatischen Farbeffekten in sein Blickfeld kam, kehrte Brunthaler auf dem Absatz um und übergab sich geräuschvoll auf die Laubengasse direkt neben dem Haupteingang der Weinstube Renzinger.
Ein sicher denkwürdiges Fotomotiv für die sensationslüsternen Touristen, schoss es Pavarotti durch den Kopf. Er sah, dass die Gaffer ein paar Meter zurückwichen, um sich vor dem Sturzbach aus Brunthalers Mund in Sicherheit zu bringen, und grinste. »Was ist mit Ihrem Kollegen los, Emmenegger? Hat der noch nie einen Toten gesehen, der nicht in seinem eigenen Bett gestorben ist?«
»Doch, schon«, versetzte Emmenegger mit leichtem Achselzucken. »Aber es wird trotzdem nicht besser mit ihm.«
Pavarotti ging darauf nicht ein. »Wer hat den Toten gefunden?«
»Das war die Renzingerin selbst, als sie heute Morgen in ihrer Weinstube aufräumen und putzen wollte.«
»Wann war das?«
Emmenegger zückte ein Blöckchen und konsultierte seine Notizen. »Nach
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