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Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman

Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman

Titel: Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Florin
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hatte, denn er stand einfach nur stocksteif da, starrte an ihm vorbei, die Hände in seinen ausgebeulten Jeanstaschen vergraben. »Hast du verstanden?«, wiederholte Pavarotti.
    Da kam auf einmal Bewegung in den Jungen. Er drehte sich um und rannte die Laubengasse hinunter, als ob der Leibhaftige hinter ihm her wäre, boxte sich mitten durch die Menschenmenge. Pavarotti sah, dass ihm ein Tourist, den er angerempelt hatte, mit der Faust hinterherdrohte. Er konnte nicht anders, er musste grinsen. Die Fremden brauchten sich nicht zu beschweren. Ihnen wurde für ihre Kurtaxe heute wirklich etwas geboten.
    Er blickte dem Jungen noch ein paar Sekunden hinterher, dann marschierte er auf die schwere, mit Holzintarsien überladene Eingangstür des Hotels Felderer zu. Kurz vor den Treppenstufen, die zum Eingang hinaufführten, blieb er stehen. Auf einmal war seine Wut über Alberti verraucht. Stattdessen fühlte er sich erleichtert. Dank Alberti blieb es ihm diesmal erspart, die schlechten Nachrichten zu überbringen. Pavarotti hasste diese Pflicht. Er hatte einfach keinen Schimmer, wie er mit Angehörigen umgehen sollte, die einen schweren Schock abbekamen und nicht begreifen konnten, dass ein Mensch nicht mehr da war.
    Nach Pavarottis Geschmack hatten Morde abstrakte Rätsel zu sein, die sich mit Hilfe von purer Logik entschlüsseln ließen. Leichen machten ihm nichts aus, auch dann nicht, wenn sie in schlechtem Zustand waren. Umso mehr aber die Beteiligten, die noch lebten. Sie störten seine Ermittlungen, weil sie ihn mit ihren unberechenbaren Gefühlsausbrüchen in Verwirrung stürzten und ablenkten. Oft kam ihm ihr ganzes Verhalten vollkommen unbegreiflich vor. Am allerschlimmsten für ihn war, dass seine Mitmenschen von ihm erwarteten, dass er auf dieses ganze Gefühlschaos Rücksicht nahm. Wenn er bloß gewusst hätte, wie er das anstellen sollte.
    Pavarotti verscheuchte den Gedanken und reckte sich, um sein Kreuz etwas zu entlasten, das nach dem Stop-and-go auf der Autobahn immer noch wehtat. Dann stieß er die Tür auf und betrat die Hotelhalle. Drinnen herrschte Halbdunkel, obwohl es erst Vormittag war. Die Vorhänge waren zugezogen. Pavarotti sah sich um. Es war niemand zu sehen. Ihm wurde bewusst, dass er trotz seiner vielen Einsätze in Meran noch nie hier gewesen war. Bis auf das leise Knacken in dem voluminösen Kaminofen, der wie ein schwarzes Ungetüm in der Mitte des Raumes hockte, war es still. Die Schatten, die das Kaminfeuer warf, zuckten auf den großen Fauteuils und auf den Terrakottafliesen im Dämmerlicht hin und her.
    Dann hörte er ein Poltern. Eine Tür hinter der Rezeption wurde aufgestoßen, und ein junges Mädchen im Dirndl eilte auf ihn zu.
    »Grüß Gott!« Automatisch knipste sie ihr eingelerntes Begrüßungslächeln an, das unterhalb ihrer hellgrauen Kieselaugen aufhörte. Doch plötzlich verrutschte das Lächeln, und sie fragte unfreundlich: »Haben Sie eine Zimmerreservierung?«
    Pavarotti schüttelte den Kopf.
    »Entschuldigung, dann müssen Sie’s woanders probieren. Wir nehmen nämlich heut keine neuen Gäste. Es hat einen Todesfall in der Familie gegeben.« Und schon hatte sie den Türgriff in der Hand, um ihn zurück auf die Straße zu scheuchen.
    Pavarotti seufzte. »Ich weiß, deshalb bin ich ja hier. Ich bin Commissario Pavarotti von der Quästur Bozen. Ich bin der zuständige Ermittlungsleiter.«
    Die junge Frau führte ihre Hand zum Mund und wurde rot. »Es … Entschuldigung«, brachte sie heraus.
    Pavarotti lächelte kühl. »Würden Sie mich jetzt bitte zur Familie Felderer führen?«
    Die Frau warf ihm einen beleidigten Blick zu. Wortlos strebte sie auf eine massiv aussehende Tür an der Schmalseite der Halle zu und öffnete sie mit einem Plastikkärtchen, das sie an ein Lesegerät hielt. Sie betraten einen mit Glas überdachten Verbindungsweg, der zu einem Nebengebäude führte. Pavarotti warf einen Blick nach draußen. Sie befanden sich direkt vor den Weinbergen des Küchelbergs. Die Villa der Felderers lag, wie Brunthaler gesagt hatte, von der Straße aus nicht einsehbar unmittelbar hinter dem Hotel. Anscheinend war sie in die Abhänge der Weinberge hineingebaut worden.
    Die Frau klopfte an eine weitere Tür, öffnete sie einen Spalt und nickte ihm wortlos zu. Pavarotti zögerte kurz. Er wartete darauf, angemeldet zu werden. Doch die Empfangsdame hatte bereits den Rückzug angetreten. Pavarotti straffte die Schultern und ging hinein. Er fand sich in einem riesigen Zimmer

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