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Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman

Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman

Titel: Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Florin
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Österreichisches. Flugs machte er aus Südtirol das Alto Adige, das Oberetsch.«
    »Alto Adige, das Wort kenne ich«, sagte Lissie vorlaut, klappte dann aber vorsichtshalber den Mund wieder zu.
    »Na klar, das kennen Sie«, gab der Mann scharf zurück. »Für Sie ist der Begriff bloß Lokalkolorit und erinnert Sie daran, dass Sie, unglaublich, aber wahr, in Italien sind, obwohl Ihre Augen Ihnen was anderes sagen. Das ist wie in einer italienischen Oper: Der Gesang ist italienisch, egal wo das Stück spielt. Und am Schluss sind ein paar Figuren tot. Aber für euch Touristen ist das bloß ein nettes Bühnenstück. Nach zwei Wochen fahrt ihr ja wieder heim.« Er schaute wieder auf sein Buch, der Ausdruck seiner Augen war für Lissie nicht mehr zu sehen. »Für uns Südtiroler ist der Name Alto Adige jedenfalls ein Stachel im Fleisch, der nicht aufhört zu eitern.« Sein Gesicht begann zu zucken.
    Lissie stand auf. Es hatte keinen Sinn, den Mann weiter aufzuregen. Außerdem wurde er ihr langsam unheimlich. Auf einmal streckte er den Arm nach ihr aus. Lissie fuhr zurück. Aber er versuchte nicht, sie anzufassen, sondern sagte bloß, den Blick wieder niedergeschlagen: »Bleiben Sie. Sie haben damit angefangen, und jetzt bin ich noch nicht fertig.« Wie hypnotisiert sank Lissie auf ihren Stuhl nieder.
    »Die waren ziemlich kreativ, die Faschisten, das muss man wirklich sagen«, setzte er nach einer Pause an. »Und schnell. Verordnungen, Erlasse und Gesetze, sie feuerten aus allen verwaltungstechnischen Rohren auf uns. Der Begriff Tirol ging gar nicht mehr, auch wenn er ökonomisch im Ausland eingeführt war, wie beispielsweise die Warenbezeichnung ›Tiroler Loden‹. Saftige Strafen gab’s, wenn es jemand nicht kapieren wollte«, sagte er. »Und als dann alle dachten, das war’s, dann ging es gegen die Sprache selbst. Deutsch als Unterrichtssprache in den Schulen wurde verboten. Deutsche Schulen und Kindergärten wurden abgeschafft und durch italienische Schulen ersetzt.«
    Lissie war gleichzeitig empört und überrascht. »Aber Sie sprechen doch heute praktisch alle noch Deutsch. Wie haben Sie das denn hingekriegt?«
    Peter grinste. »Sie kennen uns Südtiroler schlecht. Wir sind Meister der Konspiration. Müssen unsere österreichischen Wurzeln sein. Außerdem hatte das Geheimdienstnetz der Welschen Löcher wie ein Schweizer Käse. Wenn man denen nicht auf die Sprünge half …«, er unterbrach sich, dann sprach er weiter. »Die Südtiroler Eltern haben sich damals organisiert und die Katakombenschule gegründet.«
    »Katakombenschule, was ist das denn?«, wollte Lissie wissen. Mittlerweile hatte die Angelegenheit sie in ihren Bann gezogen. Ihr Alter, er sollte verdammt sein, hatte recht behalten.
    »Die Südtiroler entwickelten ein weitverzweigtes Geheimschulnetz, in dem sie ihren Kindern auf Dachböden, in Kellern und Scheunen Lesen und Schreiben in deutscher Sprache beibrachten«, erzählte ihr Geschichtslehrer.
    Lissie erinnerte das Ganze flüchtig an die verfolgten Christen im alten Rom. Die römischen Kaiser Nero und Caligula waren ein Spezialgebiet ihres Vaters gewesen. Geisteskranke Massenmörder alle beide. Langsam, um die richtigen Worte zu finden, sagte sie: »Wetten, dass die Katakombenschule zum Symbol des Südtiroler Widerstandes gegen den Faschismus wurde?«
    Ihr Gegenüber schaute sie erstaunt an, das erste Mal mit echtem Interesse. »Ja, da haben Sie recht. Das trifft es genau.«
    »Lassen Sie mich raten«, fuhr Lissie fort. »Keine deutschsprachigen Tageszeitungen mehr. Keine deutschen Vereine. Alle wichtigen Posten in Südtirol durch Italiener besetzt, also von jetzt auf gleich italienische Gemeindevorstände und Bürgermeister. Enteignungen ohne die Möglichkeit, dagegen vorzugehen. Und so weiter und so fort.«
    Ihr Gegenüber nickte, dann strich er sich über die Augen. Sein Blick fixierte wieder das Buch, das vor ihm lag. »Richtig, aber das war noch nicht das Schlimmste. Danach ging es um die schiere Existenz. Die Schweine haben die Südtiroler Wirtschaft und das Bauerntum kaputt gemacht. Bauernbund, landwirtschaftliche Zentralkasse, Gewerkschaften, alles zerschlagen. Die Grundstücke und Höfe der Bauern wurden aufgeteilt und an die Welschen verschleudert. Nur wenige bekamen danach Arbeit in den Fabriken der Welschen.«
    Peter zögerte kurz, dann stand er auf, ging zu Lissies Lesetisch und griff nach einem der »Dolomiten«-Bände, die Lissie sich hatte bringen lassen. »Schauen Sie, hier ist

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