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Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman

Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman

Titel: Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Florin
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hieß das so? – gegen die Bayern und Franzosen angeführt. Anfang des 19. Jahrhunderts musste das gewesen sein. Und da waren natürlich die Tiroler Kaiserschützen. Die hatten während des Ersten Weltkriegs nach der Kriegserklärung Italiens an Österreich die Grenze Tirols verteidigt. Damals hatte es in den Bergen erbitterte Stellungskämpfe gegeben, die unglaublich viele Opfer gefordert hatten. Die früheren Verbündeten hatten sich regelrecht abgeschlachtet. Schaudernd erinnerte sich Lissie an einen grässlichen Holzschnitt im Arbeitszimmer ihres Vaters, der eine Schlachtenszene aus dieser Periode darstellte.
    Lissie lehnte sich zurück und starrte einen Riss im Deckenputz an. Die Südtiroler Bomben kamen ihr vor wie eine schon vor langer, langer Zeit deponierte Ladung, die erst in den Fünfzigern hochgegangen war. Sie erinnerte sich an die Lektionen ihres Vaters, der ein Geschichtsfanatiker gewesen war. Die schlimmsten Feuer entstehen, wenn irgendwer Öl auf einen schon lange schwelenden Brandherd gießt, hatte ihr Vater immer wieder doziert. Heute erschien ihr der Satz ziemlich banal. Aber die bedeutungsschwere Art, wie ihn ihr Vater ausgesprochen hatte, hielt sich hartnäckig als eine ihrer lebhaftesten Erinnerungen an die unfreiwilligen Geschichtsstunden ihrer Jugend. Lissie erinnerte sich noch gut, wie genervt sie von dem alten Kram gewesen war und dass sie reflexartig die Augen verdreht hatte, wenn es wieder losging. Wen interessiert das denn heute noch? Abwarten, hatte ihr Vater stets lächelnd erwidert. Wenn du älter bist, kommt das Interesse an Geschichte von ganz allein. Tja, mein Lieber, damit hast du wohl falschgelegen, dachte Lissie schadenfroh. Dann verzog sie das Gesicht und linste hoch zu den mit historischen Nachschlagewerken vollgepfropften Regalen. Falschgelegen, aber nur bis jetzt.
    War Emil Felderer bei den Bombenlegern mit von der Partie gewesen? Um zu verstehen, was seine Zeitgenossen und vielleicht auch ihn angetrieben hatte, musste sie mindestens bis zum Ersten Weltkrieg zurück, in dem sich Österreicher und Italiener mit Inbrunst gegenseitig eins auf die Mütze gegeben hatten. Lissies Magen meldete sich mit einem vorwurfsvollen Knurren, und sie gähnte. Sie hatte überhaupt keine Lust, sich durch weitschweifige Geschichtswälzer zu fressen. Und von den Weltkriegen bekam sie sowieso immer gleich Kopfweh.
    Widerstrebend klemmte sich Lissie ein paar der auf ihrem Tisch ausgebreiteten Bücher unter den Arm und strebte zur Leihstelle der Bücherei im vorderen Teil des Raums. Die Bibliothekarin erwartete sie bereits stirnrunzelnd. »Ich möchte die Sachen ausleihen. Für wie lange kann ich sie haben?«
    »Gar nicht! Das sind geschichtliche Nachschlagewerke. Die können Sie nur hier sichten, aber nicht mitnehmen. Ich hatte Ihnen doch schon beim Ausstellen Ihres Leseausweises gesagt, dass Basisliteratur von der Bücherleihe ausgenommen ist!«
    Lissie holte schon Luft, um der Frau ordentlich die Meinung zu geigen, hielt aber inne. Das würde nichts bringen. Statt sie anzugiften, konnte sie vielleicht vom Wissen der Frau profitieren. Lissie ließ die Wälzer vorsichtig auf den Bibliothekstresen gleiten und sagte sanft wie ein Kätzchen: »Sie haben recht. Im Grunde ist es sowieso egal. Ich habe keine Zeit, das alles durchzuarbeiten. Mir geht’s einfach um eine Einführung in die Südtiroler Geschichte des 20. Jahrhunderts. Gibt es irgendetwas Zusammenfassendes für den interessierten Laien, das Sie mir empfehlen könnten?« Warmer Augenaufschlag, ein wenig bittend.
    »Ja, aber kein Buch«, erwiderte die Angestellte, eine Spur weicher. Lissies Charmeoffensive hatte offenbar gewirkt. Die Frau zeigte mit ihrem Daumen nach hinten. Schräg hinter Lissies Tisch saß jetzt ein Mann. Er musste während der vergangenen Minuten hereingekommen sein, als sie am Tresen stand.
    »Ich verstehe nicht, was Sie meinen«, sagte Lissie.
    »Werden Sie gleich«, gab die Bibliothekarin zurück und lächelte. »Der Peter dahinten«, sie zeigte erneut auf den Mann, »der ist so eine Art freier Mitarbeiter bei uns. Der hilft oft bei uns aus, wenn neue historische Bücher reinkommen und wir sie katalogisieren müssen. Er ist ein komischer Kauz, aber mit Geschichte kennt er sich aus. Ist ein Hobby von ihm.«
    Lissie stöhnte innerlich auf. Schon wieder so einer.
    »Der Peter hat bestimmt alles gelesen, was wir über Südtirol so dahaben. Wenn Sie eine Kurzfassung wollen, dann ist er der Richtige. Sie müssen ihn bloß

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