Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman
Abfalleimer.
Als er in seiner Schreibtischschublade nach einem möglicherweise vergessenen Schokoriegel oder Chipsresten tastete, läutete sein Telefon.
»Emmenegger, was tun Sie gerade?«
»Äh, hallo, Chef –«
»Also nichts. Punkt eins: Befragen Sie mal den Justus Hochleitner. Der war ja anscheinend mit dem Opfer näher bekannt. Punkt zwei: Vernehmen Sie die Ehefrau von Karl Felderer, die Louisa. Ich will wissen, wo die am Mordabend war.«
»Okay, Chef. Also den kleinen Hochleitner und die Felderer-Witwe vernehmen.«
»Nein, nicht ganz, Emmenegger. Den kleinen Hochleitner freundlich befragen, nicht vernehmen! Das ist doch ganz was anderes!«
Emmenegger war stark verunsichert. »Ja, Commissario, was soll ich den Justus denn eigentlich fragen?«
» Madre di Dio , können Sie sich das nicht selbst denken? Muss ich Ihnen denn alles einzeln vorbeten? Wir wissen, dass der Justus am Morgen nach dem Mord auf den Karl gewartet hat. Der Junge hat Karl Felderer anscheinend ziemlich gut gekannt. Wie gut, werden Sie ja wohl eruieren können. Finden Sie raus, wie der Karl Felderer war, so als Mensch, meine ich. Bisher kennen wir ihn ja hauptsächlich als Geschäftsmann.«
Emmenegger nickte ergeben. Seine Mittagspause war sowieso hinüber. Er wollte sich verabschieden, aber der Commissario war noch nicht mit ihm fertig. Aus dem Hörer plärrte es weiter. »Emmenegger, seien Sie nett zu dem Jungen. Befragung, nicht Vernehmung! Sie wissen doch, wie man mit Kindern umgeht, oder?«
»Nun …«
»Na also. Nehmen Sie aber bloß seine Großmutter mit dazu. Der Junge ist minderjährig. Und im Moment mordsmäßig durcheinander.« Leises Glucksen war zu vernehmen. »Haben Sie verstanden?«
»Jawohl, Commissario. Was machen denn Sie jetzt eigentlich?«
»Werden Sie bloß nicht frech, Emmenegger!«
»Ich meinte bloß, damit ich Sie finden kann, wenn sich etwas ergeben sollte.«
»Sie haben meine Mobilnummer. Das genügt. Und jetzt avanti , an die Arbeit.«
Die Leitung war tot.
* * *
Lissie saß im Café Gilf am Ufer der Passer und starrte durch das Geländer hindurch feindselig zum Fluss hinunter. Sie brauchte Ruhe, um den Wirrwarr aus vielen neuen Informationen aufzudröseln und in die richtige Ordnung zu bringen. Aber es gelang ihr nicht. Es lag an dieser verflixten Passer, sie machte einfach viel zu viel Lärm.
Irgendwo hinter ihr stürzte der Fluss mit Wucht hinunter in die Gilfschlucht. Der ohrenbetäubende Lärm, den dieses Schauspiel verursachte, war hier, fünfzig Meter weiter stadteinwärts, immer noch als lautes Grollen zu hören, das Lissie ziemlich nervte.
Aber nicht bloß die Geräuschkulisse störte. Noch schlimmer war die plötzliche Schwüle nach dem Regen. Lissie hechelte, ihre Bluse klebte am Körper.
Sie schaute sich um. Eine der zwei Frauen am Nebentisch hatte gerade ihre Jacke ausgezogen und saß jetzt kurzärmelig da. Ein älterer Tourist schob den Teller mit den Resten seines Vinschgerl-Käse-Toastes von sich und wischte mit einem Taschentuch über die Stirn.
Allen war heiß. Die Winterpromenade war windgeschützt, kein Lüftchen regte sich. Und auf der Terrasse des Gilf staute sich die Luft unter der großen Markise, die in besseren Zeiten weiß-gelb gestreift gewesen war.
Wo war eigentlich die Bedienung? Sie spähte durch die Glastür in das Innere des Lokals, konnte aber nichts erkennen. Ein an der Tür angehefteter Zettel stach ihr ins Auge: »Café Gilf ab sofort zu verpachten. Kleine Miete«. Das wäre doch eine super Perspektive, wenn sie in der Finanzbranche keine Anstellung mehr fand!
Die zwei Frauen am Nachbartisch waren aufgestanden und gingen hinein, um zu zahlen. Bei den zwei kleinen Treppenstufen, die zur Eingangstür hinauf führten, kam die eine leicht ins Stolpern. Lissie schmunzelte schadenfroh. Vielleicht doch ein wenig zu viel Wein zum Mittagessen?
An der anderen kam ihr irgendetwas bekannt vor, etwas an ihrer Haltung und wie sie die Schultern bewegte. Lissie war neugierig geworden. Sie hatte sie eben zwar nur von hinten gesehen, aber die zwei Süßen würden ja gleich wieder herauskommen.
* * *
Die »freundliche Befragung« im Nikolausstift war gelaufen. Emmenegger hatte es vermasselt. Elsbeth Hochleitner sah aus, als würde sie gleich wieder anfangen zu giften. Ihre Blicke reichten Emmenegger schon. Er konnte spüren, wie es zwischen ihnen knisterte, fühlte sich aber außerstande, die Situation zu entschärfen.
Komischerweise fiel ihm jetzt auf, dass auf dem Tisch
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