Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman
Emmenegger wich erschrocken zurück.
»Der Karl war Justus’ Ein und Alles, wie können Sie nur!«, schallte es ihm anklagend entgegen. »Wenn der Karl nicht gewesen wär …« Die Hochleitnerin schnaufte, anscheinend um ihre Fassung bemüht. »Der Karl hätte sogar für die Ausbildung von Justus sorgen wollen! Wie soll es jetzt weitergehen? Und da kommen Sie und zerreißen sich Ihr Schandmaul über ihn!«
Stille. Die Hochleitnerin starrte ihn wütend an. Offenbar hatte sie ihr Pulver verschossen. Emmenegger stand kopfschüttelnd auf. Dass sich Justus aufregte, konnte er ja noch verstehen. Der Kleine musste total durcheinander sein. Aber was war denn in die Hochleitnerin gefahren? Ihm reichte es für heute. »Wenn der Karl so ein Heiliger war, wie Sie behaupten, warum vergießt dann keiner in Meran wegen ihm eine Träne – außer der Justus vielleicht?«
Die Frau schaute mit versteinerter Miene an ihm vorbei und antwortete nicht.
»Wiedersehen, Hochleitnerin. Ich find von selbst raus.« Mit wohliger Genugtuung darüber, dass sein Giftpfeil anscheinend irgendwelche empfindlichen Weichteile getroffen hatte, stürmte Emmenegger mit vorgerecktem Kinn zur Haustür. Rums.
* * *
Elsbeth Hochleitner blieb sitzen. Hatte sie eben zu dick aufgetragen? Die Wut, die war aber ganz und gar nicht gespielt gewesen. Der Zorn kochte immer noch in ihr, aber nicht auf diesen subalternen Emmenegger. Wie konnte Pavarotti ihr das antun, einen fremden Polizisten zu schicken, anstatt selbst zu kommen? Wo er doch sowieso hier bei ihr logierte!
Sie hatte schon befürchtet, dass Justus eine Aussage würde machen müssen. Wer kurz nach einem Mord die Lauben rauf- und runterrannte, als sei der Teufel hinter ihm her, der brauchte sich nicht zu wundern, wenn die Polizei auf ihn aufmerksam wurde.
Justus rannte oft, wenn er verunsichert war. Am Montag, als sie auf der Suche nach ihrem Enkel am Kornplatz in die Lauben einbog, war Justus auf sie zugeschossen und hätte sie fast umgerannt. Als sie sich wieder berappelt hatte, sah sie oben, am Café Meindl, den Commissario mitten auf der Straße stehen und in ihre Richtung schauen.
Pavarotti. Elsbeths Wut wallte wieder auf. Für Justus wäre es so viel leichter gewesen, mit ihm zu sprechen. Vor fremden Autoritätspersonen, auch wenn es Dummköpfe wie dieser Emmenegger waren, hatte Justus immer ein wenig Angst, und sie durfte nicht zulassen, dass der Kleine Angst bekam. Warum hatte Pavarotti ihr nicht mal diesen einen Gefallen erweisen können, nachdem sie so viel für ihn getan hatte, damals. Sie hob ihre Hand, um sich eine lästige Haarsträhne aus der Stirn zu streichen. Als Elsbeth spürte, dass ihre Finger dabei ein wenig zitterten, umfasste sie sie mit der anderen Hand. Ganz fest.
* * *
»Eine Dame will zu Ihnen. Ihr ist die Handtasche geklaut worden, im Malzcafé, diesem Jugendschuppen, sagt sie. Das ist da hinten in der Altstadt, in der Hallergasse«, posaunte Brunthaler in die halb geöffnete Tür des Chefbüros hinein. »Elisabeth irgendwas heißt sie, sie hat genuschelt, ich hab’s nicht genau mitgekriegt.«
Pavarotti seufzte. Als ob Brunthaler extra erwähnen müsste, das er was nicht mitkriegte.
»Ich hab ihr gesagt, Sie seien für Diebstahl nicht zuständig, aber die ist stur.« Brunthaler zögerte. »Eine Deutsche ist die.«
Anscheinend erklärte das ja alles. Malzcafé? Elisabeth? Abrupt hob Pavarotti den Kopf. »Bitten Sie die Dame zu mir, Brunthaler.« Der zuckte mit den Schultern und verschwand.
Eine Minute später stolzierte Lissie durch die Tür und ließ sich schwer auf den Stuhl vor Pavarottis Schreibtisch fallen. »Puh, das war ja ein hartes Stück Arbeit, zu Ihnen vorzudringen. Sitzen Sie auf der Leitung, oder was? Ich dachte, beim Stichwort ›Malzcafé‹ geht Ihnen gleich ein Licht auf. ›Hallo, Kollege, ich will zu unserem gemeinsamen Chef‹, konnte ich draußen am Tresen ja kaum sagen, oder?«
Pavarotti blieb stumm und starrte sie nur an. Nach einer Weile begann er den Kopf zu schütteln. »Sind Sie eigentlich noch zu retten? Ich war drauf und dran, wegen Ihnen eine Vermisstenmeldung rauszugeben und Sie in ganz Meran polizeilich suchen zu lassen! Sie sind seit zwei Tagen abgängig, niemand in Ihrem Hotel weiß was, ich laufe mir seit Stunden wegen Ihnen die Hacken ab. Und mache mir die größten Vorwürfe, Sie in die Ermittlung mitreingezogen zu haben! Und Sie, Sie spazieren hier einfach rein, und anstatt Zerknirschung zu zeigen, sind Sie noch patziger als
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