Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman
sonst und machen sich gleich wieder an Ihre Lieblingsbeschäftigung, nämlich in einem fort zu nörgeln!«
Pavarotti konnte nicht anders, er musste einfach Dampf ablassen. Stundenlang war er in Meran unterwegs gewesen, hatte kaum eine Bar ausgelassen und vor allem in den teureren Geschäften ihre Beschreibung hinterlegt. Er vermutete, in die Billigläden wäre sie eh nicht reingegangen. Doch weder den Verkäuferinnen noch den Frauen, die an den Tischen unter den Lauben bedienten und einen guten Blick für die Passanten hatten, war Lissie aufgefallen. Und so überfüllt war Meran nach dem Dauerregen noch nicht, dass Lissie von so vielen Leuten hätte übersehen werden können. Schließlich hatte der Commissario aufgegeben. Seine Angst um sie hatte immer mehr zugenommen.
Während Pavarotti seiner Wut freien Lauf ließ, grinste Lissie immer breiter. »Sie haben sich wirklich Sorgen um mich gemacht? Na hören Sie, wir sind doch noch nicht so dicke miteinander, ähm, ich meine das natürlich jetzt nicht wörtlich.« Lissie konnte kaum noch an sich halten und prustete hinter vorgehaltener Hand. »Ich meine, ich konnte doch nicht wissen, dass Sie nach mir suchen, oder?«
»Ach, hören Sie doch auf mit der Flachserei«, grollte der Commissario, der sich ertappt fühlte.
Männer sollten Gefühle zeigen? Von wegen. Blöde Kühe wie die Deutsche trampelten dann gleich darauf herum. »Wir haben es mit einem Mörder zu tun, der da draußen frei herumläuft. Und der vermutlich inzwischen mitgekriegt hat, dass Sie Ihre Nase in seine Angelegenheiten stecken. Er könnte auf die Idee kommen, dass eine lästige Schnüfflerin weniger eine prima Sache wäre. Ab jetzt kommt es nicht mehr in Frage, dass Sie derart unvorsichtig herumstromern!«
Er konnte nicht anders, um seine Mundwinkel herum begann es zu zucken. Pavarotti hätte am liebsten einen ganz unitalienischen Jodler ausgestoßen, um seiner Erleichterung Luft zu machen, dass Lissie heil und gesund wieder da war. Er merkte, dass er sich zusammennehmen musste und probierte einen nüchternen Verhörton, der aber misslang. »Wo waren Sie überhaupt die ganze Zeit?«
Aber Lissie war in die Betrachtung eines eingerissenen Nagels versunken und wühlte in ihrer Handtasche. »Haben Sie eine Schere? Geben Sie her!«
Mit Entsetzen beobachtete Pavarotti, wie Lissie mit der riesenhaften Büroschere an ihrem Zeigefinger herumsäbelte.
»Mist, jetzt hab ich zu weit reingeschnitten. Haben Sie ein Pflaster?«
»Sind wir hier in einer Drogerie?« Pavarotti ging dennoch nach draußen und kam, mit einem Wattetupfer und einem Pflasterstreifen wedelnd, wieder in sein Büro zurück. »Aus den Beständen von Brunthaler, unserer wandelnden Apotheke«, grinste er.
»Schnell, machen Sie’s drauf«, befahl Lissie und bereute gleich darauf ihren Kommandoton. »Tut mir leid. Ich bin noch ein bisschen durcheinander wegen meiner vermasselten Bergtour gestern.«
Pavarotti, der gerade die Schutzschicht vom Pflaster abzog, blickte abrupt hoch. »Was haben Sie oben am Berg gemacht? Das Wetter war doch viel zu schlecht!«
»Das hat Zeit«, winkte Lissie ab. »Erst mal hab ich noch eine interessante Kleinigkeit für unseren Fall, gerade eben beobachtet!«
Pavarotti wartete gespannt, was gleich kommen würde. Zu spät merkte er, dass er Lissies Hände immer noch mit seinen massigen Pranken umklammerte. Das wird ja langsam zur Gewohnheit, dachte er und wollte loslassen. Doch dann hielt er ihre schmalen Finger einfach weiter fest, warum, wusste er selbst nicht. Ihre Hände waren kühl, er spürte ihre Fingerknochen und Gelenke unter ihrer etwas rauen Haut. Pavarotti konnte nicht anders, unverwandt musste er in Lissies Gesicht schauen, als ob sie eine geschickte Hypnotiseurin wäre und ihn gerade in Trance versetzte. Vermutlich würde sie ihn in ein paar Sekunden mit einem Fingerschnippen wieder aufwecken.
Sein Herz stolperte und er begann zu schwitzen. Er schickte ein Stoßgebet nach oben, dass Lissie die peinliche Situation nonchalant beenden würde. Madre di Dio!
Unglücklicherweise tat Lissie aber nichts dergleichen. Wie dankbar wäre Pavarotti dieses eine Mal gewesen, wenn sie wie sonst unaufhörlich weitergequasselt hätte. Aber sie saß einfach ganz still da und erwiderte seinen Blick. Pavarotti suchte die gewohnte Ironie in ihren Augen, wenigstens das, doch er fand sie nicht. In ihrem Blick spürte er Verletzlichkeit und auch ein wenig Bitterkeit.
Fragend blickten ihn die rehbraunen Augen an, die
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