Commonwealth-Saga 1 - Der Stern der Pandora
Ausdehnung, das man unendlich mit Energie füllen konnte. Theoretisch war die Kapazität unbegrenzt, vorausgesetzt, das abschirmende Quantenfeld war stark genug. Und nach ununterbrochenen Dekaden des Aufladens aus dem Wärmetauscher musste dieser D-Sink hier über eine aufgestaute Energie verfügen, die nicht mehr in Kilowattstunden, sondern eher in Kilotonnen gemessen wurde.
Also hatte der Niling D-Sink den EM-Puls ausgestoßen … ungeschirmt!
Rasch zog sich Justine aus dem Unterstand zurück. Wenn der D-Sink wirklich nicht abgeschirmt war, dann war die elektromagnetische Streustrahlung stark genug, um ihr Nervensystem irreparabel zu schädigen, sobald das Quantenfeld bereit war, die nächste Ladung aufzunehmen.
Sie eilte davon, noch verwirrter jetzt, nachdem sie die Ursache für den Systemabsturz ihres Hypergliders entdeckt hatte. Es fing an zu regnen, kaum dass sie hundert Meter weit gekommen war. Der Sturm, der sich früher am Tag während ihres Aufstiegs am Vulkankegel geteilt hatte, hatte sie nun endlich eingeholt.
Kazimir McFoster beobachtete, wie das Mädchen einen faustgroßen, glänzenden Ball aus blauem Kunststoff aus dem Frachtabteil nahm, das sich unter dem Cockpit des Hypergliders geöffnet hatte. Er hatte sich hinter einem Finicus-Busch versteckt, fünfzig Meter von der Stelle entfernt, wo die schnittige Maschine gelandet war. Regen prasselte auf ihn und die langen dunkelroten Blätter nieder. Er beachtete ihn nicht; das war das Wetter, mit dem er aufgewachsen war. Um diese Jahreszeit stürmte es jeden Morgen. Innerhalb einer Stunde würden die Wolken nach Osten abgezogen sein, und der restliche Tag würde erbarmungslos heiß und feucht werden.
Das Mädchen warf den Ball spielerisch über ihre Schulter, dann zog sie eine große zylindrische Tasche aus dem Abteil. Kazimir war beeindruckt: die Tasche war groß und offensichtlich schwer. Trotz der schwerfälligen Art, wie das Mädchen damit umging, machte es ihr offensichtlich keine Mühe, sie zu tragen. Sie war stark. Alle Außenweltler waren stark – das wusste Kazimir -; was er nicht erwartet hatte, war ihre Schönheit.
Er hatte den Gleiter gesehen, als er eine Stunde zuvor über ihm vorbeigerauscht war, ein kreuzförmiges Gebilde, schwarz gegen den grell saphirfarbenen Hintergrund des Himmels. Der Anblick hatte ihn in seinen Bann geschlagen. Es war so elegant gewesen, so graziös. All die Geschichten über das Commonwealth, all der Unterricht hatten ihn nicht auf so etwas vorbereitet. Dass eine Maschine so zauberhaft sein konnte, nicht nur in der Form, sondern auch in der Funktion, war wie eine Offenbarung für ihn. Wie Kazimir wusste, waren Maschinen funktionale und zweckmäßige Dinge.
Von seinem Aussichtspunkt auf einer Lavaknolle hatte er beobachtet, wie die Maschine über dem Dschungel immer tiefer und tiefer gegangen war. Nur ein einziges Mal hatte sie gefährlich gewankt, doch dieser Moment war schnell vorbei gewesen. Dann hatten sich ihre Flügel bewegt wie die eines Vogels, der sich in den freien Himmel erhob. Kazimir hatte dagestanden und auf die Stelle gestarrt, wo sie zwischen den Bäumen nach unten geschwebt war, ein betäubtes, törichtes Lächeln im Gesicht. Es hatte eine Weile gedauert, bis ihm bewusst geworden war, dass er auf dem Fels weithin zu sehen war. Harvey würde ihm für diesen Lapsus eine gewaltige Standpauke halten, und wahrscheinlich würde er ihm die Rationen kürzen, damit er es nicht wieder vergaß. Kazimir war eigentlich viel zu weit fortgeschritten, um derart dumme Fehler zu begehen; das war auch der Grund dafür, warum er hier draußen war und im letzten Stadium seines Bodentrainings: um zu beweisen, dass er die Wildnis gemeistert hatte. Wenn er in weiteren fünfzehn Tagen lebend zu seinem Clan zurückkehrte, würde er bereit sein, sich dem Kampf gegen das Alien-Monster anzuschließen. Allerdings nicht, wenn er hier herumstand wie ein Novize im ersten Jahr und sich als leichtes Ziel für jeden Feind präsentierte, der zufällig vorbeikam.
Kazimir ließ sich von der Lavaknolle zurück ins Unterholz fallen. Er überlegte einen Augenblick und markierte in Gedanken die Stelle, wo der Gleiter niedergegangen war. Dann war er bereit, sich zwischen den Bäumen und dem Unterholz hindurch einen Weg zu bahnen, während er wachsam auf Feinde achtete, ohne sein Ziel aus den Augen zu verlieren.
Bis er schließlich lautlos den Rand der Lichtung erreichte, wo der Gleiter gelandet war, hatte es stark zu regnen begonnen.
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