Con molto sentimento (German Edition)
gegenüber fremden Personen, wenn Patrice es schon kaum seiner Mutter ins Gesicht sagen konnte. Er nickte nur und fixierte den Fußboden.
Hoffentlich kam jetzt nicht wieder der Kommentar ›Du hast dich so sehr verändert‹. Sollte Patrice diesen Satz noch einmal hören, würde er anfangen zu schreien. Nur, weil er jetzt Kontaktlinsen statt einer Brille trug, war er doch noch kein anderer Mensch.
Doch seine Mutter sagte etwas ganz anderes, das ihn allerdings auch fast zum Schreien brachte: »Du hättest dich nicht so oft mit diesem Claude abgeben dürfen.«
»Claude hat damit nichts zu tun.« Was würde es bringen es ihr zu erklären, dass Claude nur so etwas wie die Initialzündung gewesen war. Der letzte Funke, der etwas in ihm wachgerufen hatte, das dort schon längst darauf gewartet hatte hervor zu treten. »Außerdem habe ich mich vorher gar nicht mit ihm abgegeben, erst als es mir selbst klar war. Er hat mir geholfen und durch ihn ist mir vieles leichter gefallen. Ich liebe ihn.«
Der letzte Satz war vielleicht etwas zu viel gewesen. Evas Gesichtsausdruck wechselte von mitleidiger Hilfslosigkeit in reinste Abscheu. Anscheinend ging ihr gerade durch den Kopf was zwei Menschen taten, die sich liebten. Man sah es ihr so deutlich an.
Patrice machte es nur unendlich traurig. Er hatte gehofft, dass sie es verstehen würde. Wenigstens sie. Welcher Sohn hoffte dies auch nicht.
»Wo gehst du hin?«
Er griff nach dem Rucksack, den er achtlos vor sein Bett geworfen hatte, steckte seinen Laptop hinein und zog sich die Schuhe wieder an. Es brauchte dafür etwas länger, noch immer musste er ein Taschentuch bemühen, um die Blutung unter Kontrolle zu halten.
»Patrice!«
»Ich gehe zu Claire.«
»Hast du mich nicht schon genug angelogen? Du warst auch dieses Wochenende nicht mit Claire unterwegs. Ich habe mit ihren Eltern telefoniert.«
»Du hast mir nachspioniert?« Das war ja ungeheuerlich. Er ließ das Taschentuch sinken. »Ich kann jetzt nicht hier bleiben. Urs wird mich nicht gerade mit offenen Armen empfangen, wenn ihm Luc erzählt hat, was los ist. Und du brauchst vielleicht auch etwas Ruhe.«
Wie seltsam beherrscht und distanziert sich diese Worte anhörten. Dabei zitterte seine Stimme und er musste die Nase hochziehen, weil sie doch noch ein klein wenig blutete.
Doch Eva sagte nichts mehr und ließ ihn ziehen.
Am liebsten wäre Patrice zu Claude gegangen. Aber leider hatte er dem Franzosen den Wohnungsschlüssel wieder zurückgegeben und Claude würde erst am Abend mit dem Schnellzug in Genf eintreffen. Außerdem würde es ihn dann nicht wundern, wenn irgendwann seine Mutter an der Tür klingeln würde. Sie war ja nicht dumm und konnte sich denken, dass Claudes Wohnung sein Rückzugsort Numero Uno sein würde.
Claires Eltern, wenn er wirklich bei seiner Schulfreundin vorbeischauen würde, die würden ihn mit seiner lädierten Nase wahrscheinlich direkt ins Krankenhaus schicken. Er müsste sich mal im Spiegel betrachten, wahrscheinlich hatte er bereits ein nettes, individuelles Muster aus Rot- und Blautönen auf seinem Nasenrücken ausgebildet. Also blieb nur noch das Internetcafé von Jules. Das war sogar sonntags geöffnet.
Patrice presste sich sein Taschentuch vor das Gesicht, als er die Straße entlang ging. Er wollte, dass nicht jeder die geschwollene Nase sah. Vorsichtig bewegte er das betroffene Stück nach links und rechts. Es tat nicht einmal sonderlich weh. Sie war wohl wirklich nicht gebrochen.
Selbstredend, dass Jules ihn auch nur schockiert musterte, als er urplötzlich im Laden stand.
»Geh zum Arzt, Mann!«, riet er während er Patrice ein Kühlkissen aus dem Gefrierschrank holte.
»Sie ist nicht gebrochen«, gab Patrice zurück. Zum Arzt gehen, darauf hatte er nun wirklich keinen Bock.
»Woher willst du das wissen?«
»Ich weiß es eben.«
Zufällig befand sich kein Kunde im Laden und so konnte Patrice erst einmal wieder zur Ruhe kommen. So saß er hinten neben der Spüle auf einem Hocker und schaute Jules zu, wie dieser die Tische abräumte und das dreckige Geschirr versorgte. Jetzt wo der erste Schock verflogen war, fühlte er sich überhaupt nicht wohl. Zitterten seine Hände? Hatte er sein Shirt durchgeschwitzt? Der Stoff fühlte sich klamm und kühl auf der Haut an.
»Und wie ist es passiert?«
Patrice schreckte regelrecht zusammen, als ihn Jules ansprach.
»Bin die
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