Con molto sentimento (German Edition)
Inhalt des Briefes zu sprechen. Claude bückte sich und holte den besagten Brief aus seiner Tasche. »Lies es selbst. Es ist ja nicht so, dass es dich nichts angehen würde.«
Befangen griff Federico nach dem Umschlag. Allein das Gefühl des Papiers, als er es so in der Hand hielt. Die Schwere und Textur, kein billiger Umschlag. Alexis‘ Note durch und durch, da hatte Claude recht.
Innerlich stählte sich Federico. Es wäre ihm lieber gewesen Claude hätte ihm den Inhalt zusammengefasst. Es kam ihm falsch vor ihn zu lesen. Noch dazu, dass der Brief eindeutig an Claude adressiert gewesen war, ebenso die Anrede. Diese Beichte von Patrice zu lesen war für Federico zu intim, aber er würde es wohl tun müssen.
Der Brief an sich war jedoch nicht handschriftlich, sondern mit dem Computer erstellt worden. Ob Alexis diesen Text auch gelesen, vielleicht sogar daran mitgeschrieben hatte? Nach den ersten Zeilen war sich Federico fast sicher, dass es so gewesen sein musste. So erwachsen, so klar wie Patrice die Fakten und seine Gefühle darlegte, das traute er dem Kleinen so nicht ganz zu. Doch dann begann Patrice über Federico und Alexis zu schreiben, er nahm Alexis in Schutz. Mehr noch, Patrice bat Claude, dieser möge gegen Alexis keinerlei Groll hegen. Hätte Alexis diese Sätze gelesen, er hätte mit Sicherheit auf Patrice eingewirkt sie wieder zu löschen. Also war Patrice wohl doch der alleinige Urheber dieser Zeilen gewesen.
›Ich hoffe, die beiden kommen wieder zusammen. Ich mache mir auch deswegen Vorwürfe‹, schrieb er. Entweder hatte er den Brief vor Alexis und Federicos kürzlichem Gespräch verfasst, oder Alexis hatte darüber geschwiegen, dass sie sich wieder versöhnt hatten.
In Federicos Augen beteuerte Patrice mehr als glaubhaft, dass er von Anfang an darunter gelitten hatte, Claude geschlagen zu haben. Er versuchte auch erst gar nicht irgendwelche Ausflüchte zu nennen.
Wie sehr Patrice im Zwiespalt gesteckt haben musste: Claude die Wahrheit zu sagen, weil er genau wusste, dass er es ihm schuldete und dass es das einzig Richtige war. Aber zugleich nicht ihre aufkeimende Beziehung aufs Spiel setzen zu wollen. Der arme Junge war zum ersten Mal verliebt, hatte seine Sexualität, mehr noch seine Homosexualität, entdeckt und als ob dies nicht schwer genug wäre, auch noch diese moralische Zwickmühle. Eigentlich war es ein Wunder, dass so lange funktioniert hatte.
Und jetzt hing alles an Claude. Würde er auf eine Anzeige verzichten, würde Patrice um eine Gerichtsverhandlung herumkommen. Auf Claudes Schultern lastete nun eine ganze Menge Verantwortung. Immerhin ging es hier nicht um irgendein lapidares Delikt wie Falschparken oder eine eingeschlagene Scheibe. Nein, es ging hier um Körperverletzung und versuchten Totschlag.
Sollte Claude verzichten, dann würde Patrice eine Aussage bei der Polizei machen und die Namen der Typen nennen, die damals in die Schlägerei involviert gewesen waren. Anscheinend war sich Patrices Anwalt seiner Sache so sicher, dass er nicht fürchtete diese Schläger würde Patrice dann wiederum belasten. Da ja auch Patrices Stiefbruder Luc in diese Schlägerszene involviert war, würde es für Patrice auch kein Zuckerschlecken werden. Er ging dabei eine gewisse Gefahr ein, dass er erneute Repressalien von Luc erdulden musste.
Zu guter Letzt bot Patrice an, dass er und Claude sich doch von Angesicht zu Angesicht aussprechen sollten.
»Wirst du es tun?«, erkundigte sich Federico und deutete auf diesen letzten Absatz.
»Nein, ich möchte ihn nicht sehen.«
»Falls es zu einer Gerichtsverhandlung kommt, wird es sich nicht vermeiden lassen.« Wobei, vielleicht konnten es die Anwälte auch so hinbiegen, dass Patrice nicht vor Gericht aussagen musste. Oder dass die Aussage aufgezeichnet wurde.
Claude zermatschte nur die Limetten in seinem Drink mit dem Strohhalm und zog es vor zu schweigen.
»Meinst du, es könnte zwischen dir und dem Kleinen noch etwas werden?«
»Nein«, die Antwort war strikt an die Limetten gerichtet und sie kam ein wenig zu schnell, zu reflexhaft. Ob Claude tief in seinem Innersten seinen vermeintlichen Entschluss bereute, aber es nicht zugeben wollte oder konnte? Claude hatte sich in Patrice verliebt gehabt, da war sich Federico sicher. Er hatte die beiden aufmerksam beobachtet. Ihm war Claudes verändertes Verhalten aufgefallen. Früher hätte Claude nie mit einem anderen Typen die Wohnung
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