Con molto sentimento (German Edition)
die Sache mit der Polizei durchgezogen hatte, da hatte Federico dem Kleinen längst vergeben gehabt.
Der Pianist war der Ansicht, dass sich Claude wie der letzte Idiot verhielt und schon längst mit Patrice hätte Kontakt aufnehmen müssen. Alexis sah es nicht anders, doch Claude musste seinen beiden Freunden zu Gute halten, dass sie es nicht offen aussprachen, was für ein schlechter Mensch er eigentlich war. Claude hatte ja selbst ein schlechtes Gewissen, wenn er daran zurückdachte, wie er sich verhalten hatte. Auf der anderen Seite bekam er fast schon eine Panikattacke, wenn er überlegte, dass er und Patrice etwas Längerfristiges eingehen und womöglich auch noch zusammen alt werden würden. Nie mehr einen anderen Mann außer den Einen im Bett haben? Nie mehr in den Clubs auf die Jagd gehen? Damit konnte sich Claude nun einmal auch nicht so recht anfreunden.
Aber nein, genug davon. Vor Federicos Zimmer hielt er an und trat ohne Anklopfen hinein. Er hatte nicht erwartet, dass Alexis da sein würde und so starrte er einen Moment wie versteinert auf die beiden Männer. Nicht, dass sie irgendetwas Unanständiges getan hätten. Gott bewahre! Federico stand am Fenster, Alexis hinter ihm, die Arme um die Schultern seines Lovers geschlungen, das Kinn auf die Schultern aufgestützt. Es sah so süß aus, diese unschuldige Umarmung. Doch so voller Geborgenheit, Zärtlichkeit und stillem Verständnis. Dieses Geben und Nehmen, wie sich Federico an seinem Freund anlehnte und die Augen geschlossen hielt.
Kurzum, es war genau das, was Claude jetzt am wenigstens ertragen konnte und so konnte er auch nicht anders, als die Augen zu verdrehen. Diese stille Demonstration zeigte ihm, was sich vielleicht aus ihm und Patrice hätte alles entwickeln können. Aber ihm war es wohl nicht beschieden gewesen.
»Oh Mann, müsst ihr auch jedem unter die Nase reiben, wie glücklich ihr seid?«
Es klang genau so missmutig und verbittert wie er es gemeint hatte. Alexis trat einen Schritt zurück und Federico senkte schuldbewusst den Blick. Doch seine Lippen zeichneten ein kleines Lächeln, oh ja, Federico war glücklich. Daran bestand keinerlei Zweifel.
»Also Claude«, Alexis schnalzte mit der Zunge. »Bist du etwa unterfickt?« Keine Sekunde nachdem dieses Wort Alexis‘ Mund verlassen hatte, sprang er zurück. Federico hatte nach seinem Fuß getreten.
»Nicht meinen Fuß, bloß nicht der Fuß!«, rief Alexis und handelte sich stattdessen einen schmerzhaften Kniff in die Seite ein.
»Okay, ich glaube, den habe ich verdient«, meinte der Engländer und rieb sich die linke Seite. »Entschuldige Claude, das war unnötig.«
Federico nickte zur Bestätigung und sagte ansonsten nichts. Es zeigte die leichte Anspannung des Pianisten, natürlich wollte er auf ihrem letzten gemeinsamen Konzert noch einmal so richtig auftrumpfen.
›Wenn es überhaupt dazu kommt!‹, dachte sich Claude. Darum war er ja auch eigentlich hier, um das Konzert zu besprechen und nicht, um Federico und Alexis in ihrer Zweisamkeit zu stören.
»Wir haben ein Problem«, begann er und vergewisserte sich noch einmal, dass er die Tür geschlossen hatte. Nicht, dass ihm jemand gefolgt war, oder er erwartete, dass man sie belauschte, doch besser er war vorsichtig.
»Professor Noblet hatte einen Autounfall. Nichts Schlimmes, nur ein paar Prellungen und eine Gehirnerschütterung«, beschwichtigte Claude sofort. »Aber er befindet sich momentan im Krankenhaus und kann nicht hierher kommen. Er hat mich gerade angerufen.«
»Was? Wir haben keinen Dirigenten!« Federico blinzelte und stieß geräuschvoll die Luft aus.
»Ja«, und ohne Dirigenten konnten sie nicht auftreten. Ausgeschlossen. »Er hat mir die Wahl gelassen, entweder wir sagen das Konzert ab, oder...« Claude wagte kaum es auszusprechen.
»Oder?«, hakte Federico nach.
»Oder ich dirigiere.«
Federico und Alexis tauschten einen überraschten Blick.
»Es spricht für dich, dass Professor Noblet diese Option überhaupt in Betracht zieht«, war es Alexis, der als Erstes die Sprache wiederfand. »Er würde es nicht tun, wenn er dir nicht vertrauen würde.«
»Danke, aber ich vertraue mir selbst nicht. Ich kann das nicht entscheiden.«
»Warum denn nicht? Du bist der Konzertmeister«, Federico zog die Schulter nach oben. »Du kannst es. Du hast doch auch schon die Proben dirigiert.«
»Das ist etwas völlig anderes und das
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