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Con molto sentimento (German Edition)

Con molto sentimento (German Edition)

Titel: Con molto sentimento (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanya T. Heinrich
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Flügel und Bläser, als ob sie wahrhaftig miteinander sprechen würden. Ein Liebesgeflüster, vielleicht?
     
    Und dann endlich, endlich der dritte Satz! Dieser mitreißende, berauschende Auftakt. Majestätisch, mit stolzgeschwellter Brust ließ Federico das Klavier vorangehen. Federico hatte einmal bekannt, dass es enorm viel Kraft kostete so zu spielen, aber man hörte die Kraftanstrengung nie heraus. Das war wohl wahre Kunst!
     
    Das war der Schumann. Es folgten dann heute nur noch ein Orchesterstück. Man musste das Schicksal ja auch nicht unnötig herausfordern. Daher spielte Federico nach der Pause ein Solostück: Mozarts Klaviersonate in a-moll. Die Zuschauer nahmen diese Programmänderung gnädig hin. War Federico doch auch so etwas wie der Publikumsliebling hier in Genf. Im Anschluss noch das Klavierkonzert von Chopin in e-moll. Spätestens dann wusste Claude nicht mehr wo ihm der Kopf stand.
     
    Das Ende bemerkte er nur, weil ihn irgendjemand umarmte. Es war Federico. Der lachte gelöst und das sagte Claude, dass sie wohl gut gespielt hatten. Die Leute applaudierten und man brachte Blumen auf die Bühne.
     
    Claude hatte fest damit gerechnet, dass er nach dem Konzert, nach dieser Feuertaufe, völlig entspannt und ruhig sein würde. Das Schlimmste war hinter ihm und er würde die kleine Party hinter der Bühne mit seinen Freunden und Kommilitonen genießen. Man hatte etliche Kartons mit Pizzen liefern lassen, ebenso stand fast auf jedem Tisch ein Kasten Bier. Einige Sektflaschen wurden geköpft. Kurzum es hätte eine vergnügliche Feier bis in die Morgenstunden werden können.
     
    Doch Claude war gar nicht nach Feiern zumute. Und das bei ihm, der sonst nie eine Party ausließ und selten einmal nicht als Letzter ging. Unruhig drehte er den Plastikbecher mit Sekt in seinen Händen. Es fehlte nicht viel und er begann noch an seinem Daumennagel herumzukauen. Federico befand sich mitten im Getümmel und ließ sich feiern. Warum konnte er nicht auch einfach abschalten?
     
    Wieder und wieder blickte er auf seine Armbanduhr. Wann ging noch einmal der Flieger von Patrice? Ach, warum kümmerte es ihn überhaupt, wann der Junge nach Kanada flog. Diese Entscheidung war längst gefallen. Unumkehrbar.
     
    Jetzt kam auch noch Federico zu ihm und Claude konnte sich schon ausmalen, welche Frage dem Pianisten auf den Lippen lag. Claude verhielt sich ja auch völlig atypisch. Aber hatte ihm dieser Abend nicht eines gezeigt?
     
    Es half nichts sich vor der Verantwortung zu drücken. Es wäre ziemlich leicht gewesen das Konzert abzusagen, das hätte für ihn keinen Stress und keinen durchgeschwitzten Anzug bedeutet. Aber wäre er dann zufrieden gewesen? Wäre er mit sich zufrieden gewesen?
     
    Claude hatte das Orchester während der Proben immer gut im Griff gehabt, sein Professor hatte ihm vorgeschlagen als Dirigent einzuspringen, Federico hatte an ihn geglaubt und doch hatte Claude zunächst gezögert und fast noch eine Panikattacke bekommen. Aber dann hatte er es getan! Es war so ähnlich wie im Freibad auf dem Zehnmeterturm gewesen. Diese letzten Sekunden vor dem Absprung waren der blanke Horror, aber dann, der Fall und das Eintauchen ins Wasser waren unvergleichlich. So war es ihm auch bei dem Konzert ergangen. Nachdem die ersten Takte gespielt waren und er das Publikum erst einmal ausgeblendet gehabt hatte, war es eine unbeschreibliche Erfahrung gewesen. Eine Erfahrung, die er versäumt hätte, wenn er gezögert und fortgelaufen wäre.
     
    Und wie stand es um Patrice? Wollte er da auch die Hände in den Schoß legen und fortlaufen oder sollte er den Sprung riskieren?
     
    Federico trat neben ihn und blickte in Claudes leeren Becher: »Das geht aber mal gar nicht!« Er war offensichtlich schon leicht angeheitert. »Wir brauchen Nachschub!«
     
    »Fedri, weißt du von welchem Gate Patrices Flieger startet?«
     
    Bei dieser Frage bekam Federico große Augen, dann stellte er seine Bierflasche auf die nächstbeste Fensterbank und zog Claude hinter sich her, während er in seinen Trenchcoat schlüpfte. »Vielleicht steht draußen noch ein Taxi.«
     

     

     
    »Er kommt nicht mehr, oder?«, Patrice wandte den Blick nicht von Schiebetüren des Terminals ab, als er Alexis diese bittere Frage stellte.
     
    Er wusste genau, dass Claude Bescheid gewusst hatte, dass er im Publikum gesessen hatte. Patrice hatte gehofft, dies würde ihn dazu veranlassen sich gebührend von ihm zu verabschieden. Wenigstens dies. Aber nein.

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