Con molto sentimento (German Edition)
können. Doch während seiner Ausbildung hatte er von diesem Laster endlich lassen können. Man hatte ihm permanent eingebläut, dass seine Hände stets gepflegt und ansehnlich sein müssten. Abgekaute Fingernägel gehörten da definitiv nicht dazu.
Jetzt, in diesem Augenblick, würde er alles für einen Schlüsselbund oder irgendetwas in der Art geben womit er seine Finger beschäftigen konnte. Er war unglaublich nervös vor diesem Bewerbungsgespräch. Und musste er eigentlich noch einmal die Toilette aufsuchen? Dabei war er erst vor zehn Minuten dort gewesen, bevor er in das Büro geführt worden war. Eine der Sekretärinnen hatte ihn hierhin begleitet und jetzt ließ man ihn schmoren. Gareth glaubte bereits, dass es Taktik war, um so sehen wie er mit der Situation umging. Oder war so eine Annahme paranoid und entbehrte jeglicher Grundlage?
Er war aber auch gespannt, ob er mit seinem potentiellen künftigen Arbeitgeber auf einer Wellenlänge lag. Denn dies hatte er sich als Grundbedingung auf die Fahnen geschrieben. Eine gewisse Sympathie musste vorhanden sein. Zumindest sah dies Gareth so, wenn nicht, dann war der Job nur noch mühselig, lästig und unausstehlich!
Dass die Bleistifte im Stifthalter nicht einheitlich einsortiert waren, störte ihn nun schon seit er Platz genommen hatte. Und da nun einmal nicht abzusehen war, wann ihn denn Mister Arrowfield sprechen wollte, brachte er Ordnung in den Stifthalter. Die mit Radiergummi besetzte Seite nach unten, die Mine nach oben, so dass sie den Boden des Halters nicht bekritzelten. Die Kugelschreiber sortierte er auch gleich noch nach hinten, so dass der gesamte Halter mehr und mehr einem sorgfältigen Arrangement glich. Als dies getan war, richtete er seine Aufmerksamkeit auf den Teppich. Es war ein Stück mit einem modernen Muster aus Rechtecken. Dumm nur, dass die Schreibtischkante nicht parallel zu einem dem geknüpften Rechtecke stand. Diese Tatsache störte ihn auch unheimlich. Ja, er war schon pedantisch, aber das gehörte auch zu einem guten Butler. Keine schlechte Eigenschaft für seinen Berufsstand.
Gareth hielt es nicht mehr auf seinem Platz. Dieser verfluchte Schreibtisch, warum konnte er nicht perfekt ausgerichtet sein? Das sah man doch, oder etwa nicht?
Er kniete sich an eine Ecke des massiven Tisches und versuchte ihn mit der Schulter etwas weiter nach rechts zu wuchten. Schon besser, nur noch ein kleines Bisschen und...
»Ich weiß nicht, was Euch Mister Bennett erzählt hat, aber in diesem Haushalt muss niemand auf seinen Knien herumkriechen.«
Auf frischer Tat ertappt zuckte Gareth zusammen und stemmte sich in die Höhe. Er hatte gar nicht gehört, dass sich die Flügeltüren geöffnet hatten. Anscheinend waren sie gut geölt. Verlegen blickte er die beiden Personen an, die das Zimmer betreten hatten. Mister und Mistress Arrowfield. Kein Zweifel. Die Dame des Hauses trug ihre halblangen braunen Haare in einem simplen, aber dennoch sorgfältigen Knoten. Die Kleidung bestand aus einer beigen Stoffhose und einer Bluse. Sie legte augenscheinlich wert auf ihr Äußeres. Ihre Haut im Gesicht zeigte zwar erste Falten um die Augen und den Mund, doch war sie fein und zart. Jahrelange Pflege mit den besten Kosmetikprodukten, aber kein Botox oder chirurgische Eingriffe wie bei anderen Ladys der besseren Gesellschaft.
Bei Mister Arrowfield wirkten die bereits größtenteils ergrauten kurz geschnittenen Haare außerordentlich dynamisch und machten ihn keineswegs zu einem alten Mann. Er war jetzt 53 Jahre alt wie sich Gareth zu erinnern meinte.
»Verzeihung, der Tisch stand nicht gerade.« Es war die Wahrheit und damit ließ sich noch am besten punkten.
»Oh, wirklich?« David Arrowfield schien diese Ausrede zu verwundern. »Ist mir noch gar nicht aufgefallen.«
»Die Kante stand nicht exakt auf dem Muster des Teppichs« , meinte Gareth. Hoffentlich hielten sie ihn jetzt nicht für den kompletten Psycho und Kontrollfreak mit leichtem Hang zum Autismus. »Mir fällt so etwas sofort auf. Aber entschuldigen Sie, ich wollte nicht in Ihre Privatsphäre eindringen.«
»Nun, wenn Sie schon vor Ihrem Dienstbeginn Möbel rücken, dann kann es ja nur besser werden«
Elizabeth, Mistress Arrowfield, trat auf ihn zu und streckte ihm die Hand hin. Ein Test? Wenn es so gedacht gewesen war, dann war es eine Prüfung, die Gareth ohne Probleme bestehen würde. Er ergriff die dargebotene Hand und vollführte einen
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