Con molto sentimento (German Edition)
war ja heute auch von Kopenhagen nach Genf geflogen, das alleine war ja schon aufregend genug. Dann noch das Konzert mit seinem Onkel. William war in der ersten Reihe gesessen und hatte das Geschehen auf der Bühne mit großen Augen beobachtet. Kurzerhand hob Federico den Jungen hoch und wie ein Äffchen klammerte sich William mit seinen Armen an Federicos Hals und schlang die Beine um die Hüfte des Pianisten.
»Uff, lange Zeit kann ich das auch nicht mehr machen«, stöhnte Federico. »Du wirst langsam zu groß dafür!«
»Soll ich ihn in deine Wohnung bringen?« Gareth stellte bereits das Sektglas auf eines der Tabletts in der Nähe und wollte Federico den Jungen abnehmen.
»Nein, geht schon, Gareth. Danke.« Federico nickte dem Mann zu. »Ich kümmere mich schon um ihn, immerhin bist du kurzfristig eingesprungen.«
So wie Claude das verstand, war Gareth niemand anderer als der Butler der Arrowfields. Auch wenn Federico sich Claude und Patrice gegenüber hütete ihn als solchen zu bezeichnen. Federico hatte den jungen Waliser lediglich als Sekretär von Mister Arrowfield vorgestellt, der William nach Genf begleitet hatte. Das Kindermädchen des Jungen hatte sich vor zwei Tagen bei einem Sturz die Bänder gerissen und war demnach außerstande irgendwohin zu reisen.
Claude fand es überhaupt faszinierend mit welcher Selbstverständlichkeit William Federico als ›Onkel Fedri‹ bezeichnete und Federico von dem Jungen als seinem Neffen sprach. Für einen Außenstehenden musste es wahrhaftig so aussehen, als ob Federico der leibliche Onkel von William war.
Claude fragte sich, was Williams Eltern dem Kleinen wohl erzählt hatten, wer denn Federico sei. Denn mit Sicherheit wusste William auch, dass es nicht gerade gewöhnlich war, wenn sein Onkel Alexis mit einem Mann zusammenlebte.
Apropos Alexis, William hatte eine verblüffende Ähnlichkeit mit seinem Onkel. Natürlich war er noch ein Kind und hatte die weichen, rundlichen Gesichtszüge eines solchen doch die Augen und Haare glichen denen seines Onkels. Man musste gar nicht erst fragen aus welcher Familie William entstammte. Dass er ein Arrowfield war, das war nicht zu übersehen. Noch dazu, dass er auch diesen Namen trug. Williams Mutter hatte wohl bei ihrer Heirat den Namen behalten statt den ihres Mannes anzunehmen.
»Wenn du mit Claude feiern möchtest, dann tu dir keinen Zwang an«, wandte sich Federico an Gareth. »Ich glaube, William und ich gehen dann so langsam aber sicher.«
William nickte zustimmend und kuschelte sich noch enger an Federico.
»Wirklich?« Gareth schien nur kurz zu zögern. Claude wusste nicht viel über den Mann, doch immerhin das Wichtigste: Gareth war bei den Arrowfields beschäftigt. Das war Detail Nummer Eins. Nummer Zwei: Er war schwul und das hatte wohl gerade am Anfang zu delikaten Spannungen zwischen ihm und Federico geführt. Nicht, dass Claude genau wusste, was damals vorgefallen war. Doch darüber schienen sie hinweg zu sein, so zwanglos wie die beiden Männer heute miteinander umgingen.
»Klar, du kannst gerne noch mitkommen.« Da sah Claude Patrice und dessen Freunde am nächsten Stehtisch stehen. »Ihr wolltet doch auch mit feiern gehen, oder?«
Patrice konnte es wieder einmal nicht verhindern zu erröten, wenn Claude ihn direkt in der Öffentlichkeit ansprach. Doch er nickte tapfer, während Claire und Jean meinten, sie würden lieber auch bald gehen. Immerhin war es spät und sie wollten sich das Geld für ein Taxi sparen und einen der letzten Busse nehmen.
Claude leerte den letzten Rest Sekt in seinem Glas und betrachtete dabei Gareth, der mit Federico noch irgendwelche Kleinigkeiten besprach. William und Gareth übernachteten in Federicos Appartement auf dem Campus des Konservatoriums. Gareth wollte sich bestimmt auch umziehen, denn im Anzug in die Clubs zu gehen, war vielleicht nicht unbedingt die beste Idee. Allerdings hatte er keine passende Garderobe für einen Clubbesuch eingepackt.
»Möchtest du dir von mir etwas zum Anziehen leihen?«, fragte Claude deshalb den Waliser freiheraus.
»Ja? Würde das gehen?«
»Kein Problem«, Claude machte eine abschätzige Handbewegung. »Wir finden schon etwas in meinem Fundus.«
Bildete er es sich ein, oder verschluckte sich da Patrice fast an seinem Orangensaft und blickte dann ungläubig zu ihnen herüber. Ungläubig? Nein, fast schon... enttäuscht? War es das? Claude bildete sich nichts
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