Conan-Saga 01 - Conan
kannte offenbar keine Erschöpfung.
Etwas an den Bauwerken, an denen er jetzt vorüberrannte, kam ihm vertraut vor. Da wurde ihm klar, daß er sich dem halbzerfallenen Tempel mit dem noch ganzen Portikus näherte, der ihm vor seiner Begegnung mit der Schnecke aufgefallen war. Ein schneller Blick verriet ihm, daß ein gewandter Kletterer das Portikusdach erreichen könnte.
Mit weiten Sätzen sprang er einen Trümmerhaufen zu der teilweise eingestürzten Mauer hoch. Von Stein zu Stein springend kam er schließlich zu einem noch intakten Stück unmittelbar gegenüber der Reihe von Dachskulpturen. Er sprang hoch und kroch schließlich vorsichtig über das Dach. Er konnte nur hoffen, daß es unter seinem Gewicht nicht ganz einbrechen würde. Den Löchern, die groß genug waren, daß er hätte hindurchfallen können, wich er aus. Das Geräusch und der Geruch der Schnecke drang von der Straße zu ihm hoch. Offenbar hatte sie seine Spur verloren und wußte nicht, in welche Richtung sie ihn verfolgen sollte. Inzwischen hatte sie jedenfalls direkt vor dem Tempel angehalten. Ganz vorsichtig, denn er war sicher, daß sie ihn im Mondschein ausmachen konnte, drückte Conan sich hinter eine der Marmorskulpturen und schaute über ihre Schulter hinunter auf die Straße.
Ja, dort lag die riesige feuchtlich graue Masse, auf die der Mond schien. Die Augenstiele schwenkten einmal dahin und einmal dorthin auf Suche nach ihrem Opfer. Unter ihnen schwangen die kürzeren Fühler hin und her über den Boden, als versuchten sie die Witterung des Cimmeriers aufzunehmen.
Conan war überzeugt, daß sie seine Spur bald entdeckt haben würde. Und er zweifelte auch nicht daran, daß sie die Mauer des Bauwerks genauso leicht hochgleiten konnte, wie er sie erklommen hatte.
Er legte eine Hand auf die Steinfigur vor sich – ein Alptraumwesen mit Menschenkörper, Fledermausflügeln und einem Schlangenkopf und schob. Die Statue schwankte leicht mit einem knirschenden Geräusch.
Als die Schnecke es hörte, schnellten sofort ihre Augenstiele zum Tempeldach hoch. Der Schneckenkopf drehte sich, und der Leib rollte sich fast zusammen. Dann näherte der Kopf sich der Tempelfassade, und sie begann eine der gewaltigen Marmorsäulen hochzuklettern, die sich unmittelbar unter der Skulptur befand, hinter der Conan mit gefletschten Zähnen kauerte.
Ein Schwert, dachte der Barbar, würde gegen ein solches Monstrum nichts ausrichten. Wie andere niedere Lebensformen würde sie Verletzungen überleben, die für höhere Lebewesen den Tod bedeuteten.
Der Schneckenkopf kam immer höher. Die Augen auf ihren Stielen peitschten vor und zurück. Bei ihrer gegenwärtigen Geschwindigkeit würde der Kopf des Ungeheuers den Rand des Daches erreichen, während der größte Teil seines Körpers sich noch auf der Straße befand.
Conan wußte, was er tun mußte. Er warf sich mit aller Kraft gegen die Skulptur. Sie löste sich und stürzte in die Tiefe. Statt des Krachens, das der Aufschlag einer solchen Marmormasse normalerweise auf dem Pflaster verursacht hätte, hörte Conan nur ein Platschen, dem ein schwerer, dumpfer Aufprall folgte, als Kopf und vorderer Teil der Schnecke auf den Boden zurückstürzten.
Conan wagte einen Blick über den Dachrand. Er sah, daß die Statue sich so tief in das schwabbelige Fleisch der Schnecke gegraben hatte, daß sie kaum noch herausragte. Die riesige graue Masse wand und krümmte sich wie ein Wurm an der Angel eines Fischers. Ein Schlag des mächtigen Schwanzendes der Schnecke ließ den Portikus erzittern. Irgendwo im Innern des Tempels polterten lose Steine in die Tiefe. Conan fragte sich, ob wohl das ganze Bauwerk zusammenbrechen und ihn in den Trümmern begraben würde.
»Dir werde ich es zeigen!« knirschte er zwischen den Zähnen.
Er betastete die Dachfiguren der Reihe nach, bis er zu einer weiteren kam, die locker war und sich unmittelbar über dem Körper der Schnecke befand. Hinunter stieß er sie, und auch sie traf platschend auf. Eine dritte verfehlte ihr Ziel und zerschellte auf dem gespaltenen Pflaster. Eine vierte, kleinere Skulptur, die weiter entfernt war, hob er auf und trug sie mit schier berstenden Muskeln näher heran und warf sie auf den Kopf der Schnecke.
Als die Zuckungen des Ungeheuers allmählich schwächer wurden, kippte Conan, um sicher zu gehen, noch zwei Skulpturen hinunter. Erst als der Körper sich nicht mehr rührte, kletterte er zur Straße hinab. Vorsichtig näherte er sich der gewaltigen,
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