Conan-Saga 43 - Conan der Landsknecht
eines Sinnesorgans aufspürte, das den Menschen fehlte, spielte keine Rolle. Er riskierte einen Blick über die Schulter, sah Conan und warf sich zur Seite, gerade als dieser zuschlug.
Der Schlag verfehlte das Ziel, brachte aber den Cimmerier etwas aus dem Gleichgewicht. Das allein hätte nichts ausgemacht; aber Conan blieb genau in diesem Augenblick in einer herausragenden Wurzel hängen und stolperte. Aufgrund seiner Geschwindigkeit wurde er hochgeschleudert und segelte durch die Luft. Conan stieß den Fluch aus, den er zum erstenmal gehört hatte, als sein Vater, der Schmied, sich aus Versehen mit dem Hammer auf die Hand geschlagen hatte.
Das Glück lächelte dem Selkie nur vorübergehend; gleich darauf runzelte es die Stirn. Als der Selkie Conans Sprung sah, hielt er ihn offensichtlich für Absicht und schlug abermals einen Haken. Doch zu seinem Pech in die falsche Richtung, so daß der Cimmerier direkt auf ihn zukam. In Panik blieb der Selkie stehen.
Da prallte der Cimmerier mit seinem nicht unerheblichen Gewicht auf den Selkie und rammte ihn mit dem Gesicht in die Erde. Conan saß auf dem Rücken des Unglücklichen und rutschte mit ihm ein Stück vorwärts. Er kam sich vor wie als Junge, wenn er mit dem Schlitten über den Schnee geglitten war.
Die anderen Selkies waren inzwischen in der Dunkelheit untergetaucht.
Im nächsten Augenblick blieb Tair neben dem Cimmerier stehen. »Ich bin der beste Frühlingstänzer in der Bäumen«, sagt er, als Conan aufstand. »Aber diesen Sprung mußt du mir unbedingt beibringen. So etwas habe ich noch nie gesehen.«
Conan warf einen Blick auf den bewußtlosen Selkie, dann auf Tair. »Das? Ach, das ist ein Kindertrick in meiner Heimat.«
»Sollen wir den Kerl mitnehmen und ausfragen?«
»Ja.«
Plötzlich hörten sie Schritte. Conan ging sofort in Kampfstellung und hielt das Schwert mit beiden Händen. Aber es waren Baumleute, keine Selkies.
»Der heilige Samen!« schrie ein Mann. »Sie haben den heiligen Samen gestohlen!«
Sie standen wieder auf dem Baum, auf dem die Zeremonie stattgefunden hatte. Conan hörte Cheen aufmerksam zu.
»Die Bäume unseres Waldes sind die gewaltigsten der ganzen Welt«, erklärte sie. »Jedoch war das nicht immer so. Vor zwanzig Generationen wirkte die mächtigste unserer Medizinfrauen einen Zauber, durch den normale Bäume dreimal so hoch wie vorher oder noch höher wuchsen.«
Conan nickte, sagte aber nichts. Er betrachtete die leere Truhe zu ihren Füßen.
»Es reichte aber nicht, daß die Bäume nur wuchsen. Die Erde enthält hier nicht genug Nährstoffe für die Wurzeln so vieler Bäume. Daher wirkte die Medizinfrau – sie hieß Jinde – einen weiteren Zauber. Diesen verschloß sie in einen besonderen Samen. Er verleiht jeder Pflanze in seiner Nähe große Energie.«
Magie! Das behagte dem Cimmerier ganz und gar nicht. Anscheinend schien sie überall zu sein, wohin er auch kam. Wenn er die Wahl hatte, ging er jedem Zauber aus dem Weg.
»Ohne den Samen werden unsere Bäume bald verdorren und sterben«, fuhr Cheen fort.
Nun ja, ein herber Schicksalsschlag, aber nicht Conans Sorge! Am besten überließ man die Magie denen, die sich damit beschäftigen wollten.
Ehe Cheen weitersprechen konnte, lief Tair herbei. »Habt ihr Hok gesehen?« fragte er atemlos.
»Nein«, antwortete Cheen. Sie schaute Conan an.
»Seit der Zeremonie nicht mehr«, sagte der Cimmerier.
»Er sollte in der Hütte der Knaben sein«, meinte Cheen.
Tair nickte. »Ja, sollte er; aber er ist nicht dort.«
»Laß die Ruftrommel schlagen! Wahrscheinlich läuft er irgendwo aufgeregt umher.«
Doch als das letzte Echo der großen Trommel verhallte, hatte der kleine Hok sich immer noch nicht gemeldet. Auch die Suche in allen Bäumen erbrachte nichts. Er blieb verschwunden. Auf Cheens Gesicht mischten sich Wut und Trauer. »Außer dem Leben unseres Waldes haben die Selkies mir auch den jüngsten Bruder gestohlen!«
Die Sonne brannte auf die Köpfe der Selkies herab, als sie den schmalen Wüstenstreifen durchquerten, welcher den Pili gehörte. Kleg würde sich viel besser fühlen, wenn er erst die Kühle der Berge in der Ferne erreicht hätte. Dort winkte nicht nur Abkühlung, sondern auch Sicherheit. Auf dem Marsch zu den Baumleuten war ihnen das Glück gewogen gewesen. Hoffentlich lächelte es ihnen, mit ihrem kostbaren Beutestück für den Herrn und Meister auch auf dem Heimweg.
Doch es sollte nicht sein! Hinter einer hohen Sanddüne mit einigen
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