Conan-Saga 52 - Conan und der Smaragd-Lotus
»Ich setze Euch über. Aber ...«
Steif ließ sich der stumme Fremde im Boot am Bug nieder und betrachtete Pesouris leidenschaftslos. In der Dunkelheit sah man seine Züge nur undeutlich. Pesouris hörte ein Zischen. Der Mann zog sein schweres Schwert aus der Lederscheide und legte es über die Knie.
Schnell stieß der Fährmann vom Dock ab und stakte durch den schlammigen Uferstreifen des Flusses. Die Fähre war nicht viel größer als ein Ruderboot mit Miniatursegel. Pesouris ließ Ahptut mit dem kleinen Boot weniger begüterte Reisende über den Fluß bringen. Mit zitternden Händen setzte er das Segel, als das Boot auf den breiten schwarzen Styx hinausglitt.
Nachdem das Boot auf dem Fluß dahintrieb, konnte Pesouris nichts anderes tun, als in der Dunkelheit nach den Lichtern Bel-Phars Ausschau zu halten und seinen seltsamen Fahrgast verstohlen zu mustern. Die Nachtluft auf dem Fluß war kühl. Eine Brise strich über das Boot und trug einen eigenartigen Geruch zum Fährmann.
Als Pesouris noch sehr jung gewesen war, hatte sein Vater ihn einmal mit einer Karawane zur Mündung des Styx mitgenommen. Eines Morgens war er sehr früh erwacht und hatte sich in den Dünen erleichtert. In einer Sandmulde hatte er ein totes Kamel gefunden. Das Tier war durch die gnadenlose Hitze der Wüste wie einbalsamiert gewesen und glich seiner eigenen ledernen Vervielfältigung. Damals hatte die warme Morgenbrise den gleichen Geruch herangetragen, den er jetzt in der kühlen Luft auf dem Styx roch.
Urplötzlich wollte Pesouris alles andere sehen, nur nicht seinen Fährgast. Er wandte den Kopf zur Seite. Plötzlich entdeckte er Schaumflecken auf dem dunklen Wasser. Verblüfft stellte er fest, daß dort ein Krokodil schwamm. Dann schäumte es rings um das Boot. Viereckige schuppige Schnauzen tauchten auf. Dicke Schwänze peitschten das Wasser. Dem Fährmann stellten sich vor Angst die Haare auf. Krokodile wagten sich nie so weit vom Ufer entfernt in den Fluß. Und sie folgten niemals Fährbooten. Der Wind frischte auf und trug wieder diesen ekligen Geruch heran. Da wurde es Pesouris klar: Krokodile waren Aasfresser, und so rochen sie auch.
Als die spärlichen Lichter von Bel-Phars Hafen in Sicht kamen, hatte Pesouris ein langes und sehr ernst gemeintes Gebet zu Mitra beendet. Kurz hatte er erwogen, zu Set zu beten, doch dann wählte er lieber den gnädigeren Gott der Hyborier. Falls er diese Nacht überlebte, gelobte er, einem Mitra-Tempel ein großzügiges Geschenk zu bringen und seinen Lebenswandel gründlich zu ändern. Als er nach beiden Seiten über Bord blickte, war er sicher, daß sein Gebet auf taube Ohren getroffen waren. Der Mann vorn am Bug hatte seine Stellung nicht verändert. Falls er den Schwarm von Krokodilen sah, zeigte er es nicht.
»Herr«, sagte Pesouris. Er haßte den schrillen Klang seiner Stimme. »Wir sind beinahe drüben.« Keine Antwort. »Herr, im Wasser wimmelt es von Krokodilen«, fuhr er mit dem Mut der Verzweiflung fort.
Der Mann am Bug blieb stumm.
Pesouris konzentrierte sich darauf, das Boot sicher ans dunkle verlassene Dock zu bringen, und beachtete seinen schweigsamen Gefährten und die schnappenden Krokodile nicht. Als das kleine Boot gegen die Steine schabte, war der Fährmann ungemein erleichtert. Doch dann folgte nackte Angst.
Der Mann am Bug stand mit dem blanken Schwert in der Hand da. Pesouris fiel auf die Knie, schloß die Augen und wartete auf den tödlichen Streich.
»Bitte, Herr«, flehte er. »Ich werde niemandem von Eurer Überfahrt erzählen. Bitte, verschont Euren unwürdigen Diener.«
Das Boot schwankte. Pesouris öffnete die Augen. Sein Fährgast war ausgestiegen und stand jetzt auf den Steinstufen des Docks. Alles schien unnatürlich still zu sein. Am Nachbardock brannte eine einzige Fackel. Der Mann steckte das Schwert zurück in die Scheide, zog die Kapuze des Kaftans tiefer ins Gesicht und kümmerte sich überhaupt nicht um Pesouris. Dann stieg er die Treppe hinauf.
»Herr!« rief der Fährmann. Der große Fremde blieb stehen, drehte sich um und blickte auf Pesouris herab.
»Herr, wer seid Ihr? Was sucht Ihr hier?«
Im schwachen Fackelschein sah Pesouris das ausgezehrte eingefallene Gesicht des Manns. Der Mund öffnete und schloß sich, als hätte der Mann vergessen, wie man spricht. Im glanzlosen Bartgestrüpp leuchtete eine helle Narbe.
»Tod«, antwortete Gulbanda und schritt die Stufen hinauf. Dann verschwand er in der Nacht.
E INUNDZWANZIG
T'Cura aus
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