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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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zu spionieren?«, fragte Jack.
    »Wenn Spanien das ganze Silber auf diesen Schatzgaleonen in den Hafen von Cadiz brächte und es einschlösse, würde der Außenhandel der Christenheit schwer leiden«, erklärte Moseh. »Die Hälfte der Handelsgesellschaften in London und Amsterdam würden innerhalb eines Jahres bankrott gehen. Wilhelm von Oranien würde Spanien den Krieg erklären, bevor er so etwas zuließe. Diese Spione sind hier und vermutlich auch in Cadiz, um Wilhelm darüber zu informieren, ob dieses Jahr ein Krieg nötig sein wird.«
    »Warum sollten die Spanier es denn horten wollen?«
    »Weil Portugal in Brasilien riesige neue Goldminen erschlossen und – wie Dappa dir bestätigen kann – mit unzähligen Sklaven ausgestattet hat. Innerhalb der nächsten zehn Jahre wird der Vorrat an Gold auf der Welt über die Maßen wachsen und sein Preis verglichen mit dem des Silbers natürlich fallen.«
    »Der Preis des Silbers wird also mit Sicherheit steigen...«, sagte Jack.
    »... und die Spanier haben allen Grund, es jetzt zu horten.«
    Während sie so dastanden und redeten, sank die Nacht über Spanien herab, und in den Fenstern von Sanlúcar de Barrameda und in denen der großen Villen von Bonanza, wo jetzt das Abendessen gekocht wurde, flackerten Lichter auf – Jeronimo hatte ihnen von dem merkwürdigen spanischen Brauch erzählt, spät in der Nacht zu Abend
zu essen, und sie hatten ihn bereits in ihren Plan mit einbezogen. Der Rhythmus der Wellen, die unterhalb der Stadt träge an den Strand rollten, veränderte sich kaum merklich, jedenfalls behauptete das van Hoek. Auf Holländisch sagte er: »Die Ebbe setzt ein«, und kletterte über eine Lotsenleiter in das winzige Skiff der Galiot, das ins Wasser gelassen worden war. Hier nahm er ein Kilderkin – ein kleines Fass mit einem Volumen von ungefähr achtzehn Gallonen -, öffnete es auf einer Seite, beschwerte es mit Steinen und steckte ein paar Kerzen dazwischen. Nachdem er die Kerzen angezündet hatte, entließ er es in den Guadalquivir und schaute ihm fast die ganze nächste Stunde dabei zu, wie es langsam ins Meer hinausglitt. Unterdessen hielt Jack den Blick fest auf die Anlegestelle gerichtet, die er am Flussufer ausgesucht hatte, denn sie verblasste nun langsam und wurde zu einer schwarzen Lücke in einer in der Ferne liegenden Anordnung von Laternen.
    Sie legten ihre Turbane und Gewänder ab und zogen europäische Kleider an, die in dem Verkleidungssack zur Genüge vorhanden waren. Dann begaben sie sich hinunter in das Skiff und fingen an, über die Strömung des Flusses zu rudern. Jack lenkte sie auf die Stelle zu, die er ausgesucht hatte. Zwei Mal bestand van Hoek darauf, dass sie mitten im Strom innehielten, indem sie die Ruder strichen, während er ein Senkblei über Bord warf, um die Wassertiefe auszuloten. Jeronimo war während der ganzen Überfahrt damit beschäftigt, sich ein langes Baumwollband um den Kopf zu wickeln und so den Kiefer zuzubinden – eine Tätigkeit, die durch seinen Hang, laut zu denken, nicht eben beschleunigt wurde. Denken hieß für ihn, schwülstige Anspielungen auf klassische Dichter zu machen, bis alle um ihn herum in Apathie verfielen. Diesmal war er Odysseus, und die Berge von Estremaduras waren die Felsen der Sirenen, und dieser Knebel, den er sich da anlegte, entsprach dem Seil, mit dem Odysseus sich an den Mast gefesselt hatte.
    »Wenn der Plan so löchrig ist wie dieser Vergleich, sind wir alle so gut wie tot«, murmelte Jack, als der Knebel endlich an seinem Platz war.
    Die Ankunft der vier würde in dem Landstreicherlager einen Aufruhr auslösen, zumindest war es Jack gelungen, die anderen neun davon zu überzeugen. Deshalb stieg er ein paar Yard vom Ufer entfernt aus dem Boot, watete an Land und fiel (als sicher war, dass niemand ihn sehen und er sich nicht zum allgemeinen Gespött machen konnte) am Strand wie ein Eroberer auf die Knie und küsste den Staub.

    Nun war der Moment gekommen, wo er einfach verschwinden würde. In der Gegend hier war er noch nie gewesen, hatte aber von diesem Lager gehört: Angeblich war es klein, aber reich, ein Umschlagplatz für die Besseren unter den Vagabunden. Dann, ein paar Tagesreisen die Küste aufwärts, eine große Landstreicherstadt, die sich unmittelbar an die Stadtmauern von Lissabon drängte – der Weg von da aus in Richtung Norden war ihm wohl bekannt. Er rechnete damit, noch vor Wintereinbruch in Amsterdam zu sein, wenn er sich dranhielt.Von dort war die Überfahrt

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