Confusion
Kaufleute zu sein.
Die Galiot hatte die Form eines Pulverlöffels. Unter den bloßen Füßen der Ruderer bedeckten lose Planken eine flache Bilge, aber darüber hinaus gab es keine Decks – das Schiff war auf seiner ganzen Länge oben offen, abgesehen von einem Achterdeck am Heck, das in der für diese Schiffe typischen Weise in einem Schwung sehr hoch aus dem Wasser ragte. So würde jeder Ausguck, der in die Galiot hinabschaute, ganz klar ein paar Dutzend nackte arme Teufel in Ketten sehen und dazu Frachtstücke, die um und unter ihre Bänke gepackt
waren: zusammengerollte Teppiche, Fell- und Leinenbündel, Fässer mit Datteln und Olivenöl. Ein dürres Drehgeschütz am Bug und ein weiteres am Heck, beide durch Leinen und Ladung blockiert, vervollständigten das trügerische Bild einer nahezu wehrlosen Galiot. Man musste schon genauer hinsehen, um festzustellen, dass die Ruderer ungewöhnlich stark und frisch waren: die besten, die der Sklavenmarkt von Algier zu bieten gehabt hatte. Die zehn an dem Plan Beteiligten waren auf Außenbordpositionen verteilt worden, damit sie besser durch die Ruderdollen spähen konnten.
»Bei dieser Windstille bleiben uns mindestens noch eine Nacht und ein Tag, bis das Schiff des Vizekönigs da ist«, bemerkte Jack.
»Es hängt viel von den Gezeiten ab«, sagte van Hoek. »In der Nacht brauchen wir Ebbe. Und das Wetter muss ruhig bleiben, damit wir während der Dunkelheit unseren Verfolgern davonrudern können. Bei Sonnenaufgang wird der Wind auffrischen, und dann wird jeder, der uns sehen kann, uns einholen können...« Seine Stimme verlor sich zu einem Murmeln, während er diese und andere Komplikationen erwog, die ihnen, als sie den Plan entwickelt hatten, kaum der Rede wert erschienen waren, die sich aber jetzt wie Schatten in der Abenddämmerung riesengroß, verschwommen und Furcht erregend ausdehnten.
Das messingfarbene Licht des späten Nachmittags fiel durch ihre Ruderdollen an Backbord herein, als die Galiot etwas tiefer ins Wasser sank und anfing, sich in einem Strom hin und her zu werfen und zu drehen. Anfangs war es ihnen gar nicht klar – das hier war der erste einigermaßen bedeutende Fluss, auf den sie stießen, seit sie Gibraltar passiert, oder, um genau zu sein, seit sie Algier verlassen hatten. Jack begriff in den Armen und im Rücken, warum die Mauren, die vor Ewigkeiten diesen Weg heraufgekommen waren, ihn al-Wadi al-Kabir, den Großen Fluss, genannt hatten. Als Jeronimo spürte, dass er an seinem Ruder zerrte, stand er auf und streckte einen Arm durch seine Ruderdolle, um den Kamm einer Welle mit der gewölbten Hand zu kappen. Nachdem er einen kleinen Schluck Wasser geschlürft hatte, musste er husten, und dann nahm sein Gesicht einen glückseligen Ausdruck an. »Es ist Süßwasser, das Wasser des Guadalquivir, das von den Bergen meiner Ahnen herunterstürzt«, verkündete er, und dann folgte noch mehr in dem Stil. Während dieser Zeremonie bewegte sein Ruder sich nicht, und damit auch kein anderes auf dieser Seite.
»Ich persönlich«, sagte Jack laut, »habe mehr Erfahrung mit Abwasserkanälen als mit Gebirgsbächen und kann nicht glauben, dass wir diesen ganzen Weg hierhergekommen sind, um jetzt im Abwasser von Sevilla und Cordoba im Kreis zu rudern!«
Jeronimo warf sich in die Brust und bereitete sich darauf vor, Jack zum Duell herauszufordern – doch dann landete der nerf du boeuf zwischen den Schulterblättern des Spaniers, womit ihr Aufseher sie daran erinnerte, dass sie immer noch Sklaven waren. Jack fragte sich, wie lange Jeronimo wohl brauchen würde, bis er ein Duell vom Zaun bräche, wenn er erst mal einen Degen haben durfte.
Die nächsten paar Stunden führten ihnen noch öfter ihren niederen Stand in der Welt vor Augen, während sie, die Sonne direkt im Gesicht, stromaufwärts ruderten. Van Hoek fluchte nahezu ununterbrochen, und Jack überlegte sich, dass es für einen Offizier nichts Demütigenderes geben konnte, als rückwärts zu schauen und nicht zu sehen, wohin die Fahrt ging. Aber irgendwann sahen sie dann immer mehr Mastspitzen um sich herum, hörten das willkommene Geräusch von Ankerketten, die durch ihre Klüsen rumpelten, und beugten sich nach vorne über ihre warmen Ruder, um ihre Rückenmuskeln zu dehnen.
Nasr al-Ghuráb, der Raïs , war Kul oglari , das heißt, der Sohn eines Janitscharen und einer Frau, die aus der Gegend um Algier stammte – jedenfalls war sein Spanisch ebenso passabel wie sein Sabir. In der zuletzt
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