Confusion
nach London immer einfach gewesen, selbst wenn England und Holland sich im Krieg befunden hatten – und jetzt waren sie ja praktisch ein einziges Land.
Das war die ganze Zeit sein heimlicher Plan gewesen, und er hatte sich mehr damit beschäftigt, ihn auszuarbeiten, als die zahllosen Veränderungen und Überarbeitungen von Mosehs Plan zu verfolgen. Er brauchte nichts anderes zu tun, als hinauf ins Dickicht zu marschieren und immer weiterzugehen. Das mochte der Untergang von Mosehs Plan sein oder nicht – aber (soweit er ihm überhaupt Aufmerksamkeit geschenkt hatte) er nahm an, dass er ohnehin dem Untergang geweiht war. Etwas, was von so vielen Leuten abhing, konnte niemals funktionieren.
Seine Füße trugen Jack aber nicht wie erwartet davon. Nachdem er wenig später aufgestanden war, fing er an, sich vorsichtig vom Flussufer zu entfernen, wobei er alle zwei Schritte innehielt, um auf Bewegungen oder Geräusche um ihn herum zu lauschen. Er stürmte aber nicht einfach los. Irgendwie wurden die Befehle, die sein Gehirn an seine Füße schickte, von seinem Herzen oder anderen Organen blockiert. Vielleicht lag es daran, dass andere aus der Verschwörertruppe, im Gegensatz zu Eliza, ihm gegenüber Mitleid und Loyalität gezeigt hatten.Vielleicht lag es am Geruch dieses Landstreicherlagers und der jämmerlichen und ekelhaften Erscheinung der ersten Menschen, die er erspäht hatte; beides erinnerte ihn daran, wie arm und schmutzig die Christenheit im Allgemeinen war. Zudem war er seltsam neugierig darauf, wie der Plan ausgehen würde – ein bisschen wie ein Zuschauer bei einer Bärenhetze, der bereit war, Geld zu zahlen, nur um zu sehen, ob der Bär die Hunde in blutige Fetzen riss oder umgekehrt.
Wirklich verwirrend – oder klärend, je nach Blickwinkel – war für ihn aber die Gewissheit, dass der Duc d’ Arcachon inzwischen irgendwie mit von der Partie war. So viel war bei der Entwicklung des Plans
im Laufe der neun Monate, seit sie ihn dem Pascha vorgestellt hatten, deutlich geworden. Dappa hatte, indem er verheimlichte, dass er Türkisch verstand, eine Menge herausbekommen.
Nun hatte Jack keinen besonderen Grund, sich über besagten Herzog Gedanken zu machen – er war ein übler reicher Zeitgenosse, und davon gab es viele. Zu einem Zeitpunkt jedoch, als er ganz in Elizas Bann geraten war, hatte er sich anerboten, diesen Herzog eines Tages umzubringen. Damals war er einem konkreten Lebensziel näher gekommen denn je (für seine Sprösslinge zu sorgen war langweilig und unerreichbar), und er hatte es ziemlich genossen. D’Arcachon hatte sich nun freundlicherweise erkenntlich gezeigt, indem er ihn bis in die entferntesten Winkel der Erde jagte. Jack erfüllte das mit einem gewissen Stolz, denn er sah darin etwas, was sein Pariser Freund St. George »gutes Benehmen« nennen würde. Sich jetzt davonzustehlen, wie eine Ratte in East London zu leben und sich bis an sein Lebensende wegen der Mordabsichten des Herzogs den Kopf zu zerbrechen wäre in der Tat schlechtes Benehmen.
Als Jack und sein Bruder Bob, damals noch Kinder, im Regimentskasino in Dorset Scheinkämpfe ausgefochten hatten, waren sie für ihren Schwung und ihre Entschlossenheit belohnt worden; und wenn Soldaten Jungen für gutes Benehmen Fleisch hinwarfen, konnte es dann nicht sein, dass die Welt Jack für dieselbe Tugend mit Silber überschüttete?
Trotz allem kam Jack erst endgültig zu einem Entschluss, als er sich vielleicht eine Viertelstunde an Land aufgehalten hatte. Er war lautlos um den Lichtschein eines Landstreicherlagerfeuers geschlichen, hatte die Menschen gezählt, ihre Stimmung erfasst und sich nach Kräften bemüht, Fetzen von Rotwelsch aufzuschnappen. Plötzlich erhob sich, nicht mehr als fünf Yard entfernt, zwischen ihm und dem Feuer eine Silhouette: ein kräftiger Mann mit einem seltsam mumifizierten Kopf und einer zum Schuss gespannten Armbrust in der Hand. Es war Jeronimo – der als Teil des Plans an Land geschickt worden sein musste, um Jack durch die Wälder zu jagen und ihm einen Bolzen durchs Herz zu schießen, falls er irgendein Anzeichen von Verrat zeigen sollte.
Das war für Jack die Bestätigung, dass er sich an den Plan halten musste. Nicht aus Angst – er konnte sich leicht vor Jeronimo davonstehlen -, sondern aus einer ganz ordinären, niederen Gefühlsduselei heraus. Denn Jeronimo wünschte sich so sehnlich, wie noch keiner sich etwas gewünscht hatte, nach Estremaduras zurückzukehren, und
dennoch war er
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