Confusion
befragen, die bei uns die weisen Männer waren. Nun, ungefähr zur selben Zeit, als einige Portugiesen den Fluss heraufkamen, um uns zu bekehren , kamen andere , um Sklavenhandel mit uns zu treiben – was nicht weiter bemerkenswert war, da es sich nicht von dem unterschied, was die Araber schon immer gemacht hatten. Doch langsam – zu langsam, als dass irgendjemand zu Lebzeiten einen Unterschied bemerkt hätte – stiegen die Preise, die für Sklaven geboten wurden, und die Besuche der Käufer nahmen zu. Holländer, Engländer und andere Weiße kamen und wollten immer mehr Sklaven. Meine Heimatstadt wurde durch diesen Handel reich – die Tempel der Aro-Priester erstrahlten in Gold und Silber, die Sklaven-Kolonnen von flussaufwärts wurden immer länger und immer zahlreicher. Schon damals deckte das Angebot nicht mehr die Nachfrage. Die Priester, die bei uns die Funktion von Richtern erfüllten, verurteilten immer mehr Menschen wegen immer geringfügigerer Delikte zur Sklaverei. Sie wurden reich und überheblich, die Priester, und ließen sich in goldenen Sänften durch die Straßen tragen. Dennoch sah ein bestimmter Typ von Afrikaner diese Pracht als untrüglichen Beweis dafür an, dass diese Priester sehr mächtige Wahrsager und Weise sein mussten. So wuchsen nicht nur die Sklavenkolonnen an, sondern auch die Ströme von Pilgern, die aus dem ganzen Nigerdelta kamen, um ihre Krankheiten heilen zu lassen oder das Orakel zu befragen.«
»Nichts, was wir nicht auch im Christentum hätten«, bemerkte Jack.
»Stimmt – nur mit dem Unterschied, dass den Priestern nach einer Weile die Verbrechen und die Sklaven ausgingen.«
»Was meinst du mit ›die Verbrechen gingen ihnen aus‹?«
»Sie erreichten einen Punkt, Jack, an dem sie jedes Vergehen, war es auch noch so harmlos, mit Sklaverei bestraften. Und trotzdem gab es nicht genug Sklaven, die man flussabwärts hätte verkaufen können. Also verfügten sie, dass hinfort jede Person, die vor dem Aro-Orakel erschien und eine dumme Frage stellte, unverzüglich von den Soldaten, die im Tempel Wache standen, gepackt und in die Sklaverei geschickt werden sollte.«
»Hmm, wenn dumme Fragen in Afrika so alltäglich sind wie dort, woher ich komme, muss diese Vorgehensweise eine wahre Flut von armen Teufeln produziert haben.«
»Das hat sie – und dennoch kamen die Pilger weiterhin in Scharen in unsere Stadt.«
»Warst du einer von diesen Pilgern?«
»Nein, ich war – vom Schicksal begünstigt – der Sohn eines Aro-Priesters. Da ich als ganz kleiner Junge ununterbrochen redete, wurde beschlossen, dass ich Linguist werden sollte. Immer wenn hinfort ein weißer oder arabischer Händler in unserer Stadt auftauchte, hielt ich mich in seiner Nähe auf und versuchte, möglichst viel von seiner Sprache zu lernen. Und als die Missionare kamen, heuchelte ich Interesse an ihrer Religion, damit ich ihre Sprachen erlernen konnte.«
»Aber wie bist du dann zum Sklaven geworden?«
»Einmal fuhr ich flussabwärts nach Bonny, dem Sklavenhandelsposten an der Mündung des Niger. Dabei durchreiste ich viele Städte und erst da wurde mir klar, dass meine Heimatstadt nicht die einzige war, die Sklaven an die Küste lieferte. Der spanische Missionar, mit dem ich unterwegs war, erzählte mir, Bonny sei nur eines unter Hunderten von Sklavendepots entlang der Küste von Afrika. Erst in diesem Augenblick begriff ich, welch enormes Ausmaß der Sklavenhandel besaß – und wie schrecklich er war. Aber da du ja selbst Sklave bist, Jack, und deine Unzufriedenheit mit diesem Zustand bereits zum Ausdruck gebracht hast, werde ich mich darüber nicht weiter auslassen. Ich fragte den spanischen Missionar, welche Rechtfertigung es für so etwas gebe, wo doch die Religion der Europäer auf brüderlicher Liebe basiere. Der Spanier erwiderte, dass dies innerhalb der Kirche einen großen Streit ausgelöst habe – dass ihre Rechtfertigung letzten Endes aber nur in einem Punkt bestehe: Wenn weiße Sklavenhändler von schwarzen Sklavenhändlern Afrikaner kauften, würden diese getauft, und durch das Gute, das in diesem Moment ihrer Seele zuteil werde, würden sie für das Übel, das ihren vergänglichen Körpern während ihrer noch verbleibenden Lebenszeit angetan würde, mehr als entschädigt. ›Wollt Ihr damit sagen‹, rief ich aus, ›dass es gegen das Gesetz Gottes verstieße, wenn ein Afrikaner, der bereits Christ ist, versklavt würde?‹ ›Genau so ist es‹, antwortete der Missionar. Daraufhin
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