Confusion
mehr sehr bemerkenswert«, sagte Dappa. »Ich wurde an der Küste von einem Handelsposten zum nächsten verkauft. Mit Sklaven aus Bonny ist nicht viel Geld zu machen: Im Paradies aufgewachsen, sind wir landwirtschaftliche Arbeit nicht gewohnt. Sonst wäre ich geradewegs nach Brasilien oder in die Karibik verschifft worden. So landete ich im Laderaum eines portugiesischen Schiffes mit Kurs auf Madeira, das von denselben Freibeutern aus Rabat gekapert wurde wie zuvor euer Schiff.«
»Wir müssen uns beeilen,«, sagte Moseh und bog den Kopf nach hinten, um gerade nach oben zu schauen. Hier unten war es schon seit Stunden Nacht, aber fünfzig Fuß über ihnen war eine Mauerecke ins rote Licht des Sonnenuntergangs getaucht. Die kleine Sklavenkolonne schlug ein schärferes Tempo an, trabte um ein paar weitere Ecken und stieß auf eine relativ breite Straße (in der Jack nicht mehr
beide Seiten gleichzeitig berühren konnte). Aus den Zwiebelschalen und Gemüseabfällen, die herumlagen, schloss Jack, dass das eine Art Markt sein müsste, obwohl die Tische alle leergeräumt und die Buden geschlossen waren. Ein dunkelhaariger und merkwürdig vertraut aussehender junger Mann wartete dort auf sie und reihte sich bei ihnen ein, als sie vorbeigingen. Sein Sabir war von einem Akzent durchdrungen, den Jack von seinem letzten Parisaufenthalt her als armenisch identifizierte.
Bevor er aber so recht darüber nachdenken konnte, öffnete sich der Raum vor ihnen in eine Art öffentlichen Platz, der im Dämmerlicht schwer auszumachen war, mit einem Springbrunnen in der Mitte und ein paar großen, aber sehr unscheinbaren Gebäuden rundherum. Eins davon war hell erleuchtet und Hunderte von Männern drängten sich vor seinen geöffneten Türen. Ein Großteil davon waren Sklaven, aber neben der für Algier typischen Auswahl an Berbern, Juden und Christen waren auch viele Mitglieder des Ocak darunter. Als die kleine Sklavenkolonne die Ausläufer dieser Menge erreichte, trat Moseh de la Cruz beiseite und ließ den Spanier an ihm vorbeistürmen, der plötzlich sämtliche Unflätigkeiten, die Jack je gehört hatte, und dazu noch verschiedene neue Beleidigungen herausbrüllte, eine Reihe großer, schwer bewaffneter Türken in die Rippen stieß, auf die nach oben gebogenen Spitzen ihrer Pantoffeln trampelte und ihnen Tritte vors Schienbein versetzte, um sich einen Weg zum Eingang des Gebäudes zu bahnen. Jack rechnete damit, dass ihm der Kopf abgesäbelt würde, nur weil er sich in der Nähe dieses ungehobelten Spaniers befand, aber alle Opfer von dessen Rippenstößen und Beleidigungen grinsten und lachten, sobald sie ihn erkannten, und amüsierten sich dann köstlich, während sie zusahen, wie er jeden anrempelte, der ihm im Weg stand. Moseh und die anderen folgten unmittelbar hinter ihm, so dass sie rasch die Eingangstür erreichten – offenbar kein bisschen zu früh, denn die Türken, die dort Wache standen, raunzten Moseh und seine Gefährten an und deuteten dabei auf den Himmel im Westen, der mittlerweile zu einem tiefen, fast unsichtbaren Blau verblasst war, wie Kerzenlicht, das eine Porzellanuntertasse zu durchdringen versucht. Einer der Wachposten versetzte Dappa und dem japanischen Jesuiten, als sie vorbeigingen, einen harten Schlag und zielte auch auf Jack, der ihm jedoch auswich.
Moseh hatte zuvor erwähnt, dass sie in einem sogenannten Banyolar wohnten, und Jack fand, das hier müsste es sein: ein Hof, umgeben von Galerien, die in viele kleine Zellen aufgeteilt waren, eine Galerie
über der anderen, bis zu einer Höhe von mehreren Stockwerken. Der Bau insgesamt erinnerte Jack sehr an gewisse altmodische Theater, die an der Maid Lane zwischen den Sümpfen von Southwark und dem rechten Themseufer lagen, nämlich Rose, Hope und Swan. Mit dem großen Unterschied allerdings, dass in den Theatern in Bankside bewaffnete Männer versuchten, Jack draußen zu halten, während sie ihn hier beschimpften, weil er nicht früh genug hereingekommen war.
Das hier war natürlich kein Theater, sondern eine Sklavenunterkunft. Und dennoch waren die Galerien bis hinauf zum flachen Dach des Banyolar (jedenfalls im Moment) überfüllt mit freien Bewohnern Algiers, und dasselbe galt für den größten Teil des Hofes. Nur ein Teil dieses Hofes, auf der einen Seite der zentral gelegenen Zisterne, war mit Seilen zu einer Bühne oder einem Ring abgetrennt; und drum herum waren Unmengen von Fackeln so dicht nebeneinander aufgesteckt, dass ihre Flammen praktisch
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