Confusion
gewesen war.
Der Zollinspektor machte allen, die sich in Hörweite befanden, deutlich, dass er mit keinem Teil dieses Arrangements glücklich war, aber er erledigte seinen Part und verabschiedete sich, ohne irgendwelche Schwierigkeiten zu machen oder über das hinaus, was er ohnehin bekam, auch noch Bakschisch zu verlangen: Nachdem die »Inspektion« abgeschlossen war, überreichte Nasr al-Ghuráb ihm einen Beutel Piaster.
Der Inspektor erwies sich als gastfreundlicher Mensch, der Moseh bedrängte, doch hereinzukommen und das Abendessen mit ihm zu teilen – wobei er von der vernünftigen Vermutung ausging, die Galiot bliebe die ganze Nacht an seiner Pier vertäut. Und das wäre in der Tat am einfachsten gewesen. Ein französisches Kanonenboot war jedoch von Alexandria losgeschickt worden und jetzt auf halbem Weg zu ihnen, sein dreieckiges Segel aprikosenfarben in der späten Nachmittagssonne, und dieser Anblick gefiel keinem von ihnen. Außerdem verband diesem Juden zufolge eine gut ausgebaute Straße, die sogenannte Kanopische Straße, Alexandria mit Abukir, und auf guten Pferden konnten Reiter diesen Weg mühelos in ein paar Stunden zurücklegen. Da er keinen besonderen Drang verspürte, zwischen dem französischen Kanonenboot und einer hypothetischen Schwadron nächtlicher französischer Reiter in der Klemme zu sitzen, gab Nasr al-Ghuráb
der Besatzung der Galiot ungefähr eine Stunde vor Sonnenuntergang den Befehl, in See zu stechen. Unter anderen Umständen wäre das äußerst unklug gewesen. Aber die Strömung des Nils würde sie eher vom Land wegtreiben, und nach dem Wetterglas, das van Hoek aus einem Glasröhrchen und einem Quecksilberfläschchen gebastelt hatte, würde der Himmel wenigstens noch einen weiteren Tag lang heiter bleiben. So überließen sie sich den Wellen und verbrachten eine unbehagliche Nacht, in der sie aus Furcht, im Treibsand des Nils auf Grund zu laufen, immer und immer wieder das Senkblei über Bord warfen und einholten.
Als die Sonne über einer müden und gereizten Verschwörertruppe aufging, befanden sie sich mitten in einer großen halbmondförmigen Bucht, die durch die Landspitze von Abukir im Südwesten und eine gewaltige sandige Landzunge im Nordosten, von Abukir aus etwa zwanzig Meilen weiter die Küste entlang, begrenzt wurde. Diese Bucht hatte keinen erkennbaren Strand, sondern verlor sich in Schlammzonen, die sich über viele Meilen landeinwärts erstreckten, bevor sie es verdienten, Bäume, Getreide und Häuser zu tragen. Es wurde bald klar, dass die Galiot in einer langsamen Kreisbahn dahingetrieben war, in einer breiten Windung der vom Nil gespeisten Strömung. Dem Raïs zufolge war nämlich die Landzunge im Nordosten, Sandkorn für Sandkorn, von der Rosettamündung geschaffen worden, die irgendwo in sie eingebettet lag. Und als die Sonne am Horizont hochstieg und als rote Scheibe durch den Schleier mehlweißen Staubs hindurchschien, der von der Sahara herunterwehte, zeichnete sie tief zwischen diesen Schlammzonen eine Silhouette aus Moscheekuppeln und Minaretten: die Stadt Rosetta selbst.
Die morgendliche Ruhe wurde bald durch ein Wehklagen und Schluchzen am Bug der Galiot gestört. Jack ging nach vorne und sah Vrej Esphahnian auf dem schweren Balken knien, der einmal den Rammsporn getragen hatte. Der Armenier spielte nun selbst Rammsporn, indem er wiederholt seine Stirn an den Balken schlug und sich den Kopf zerkratzte, bis er blutete. Er schien nichts von dem zu hören, was Jack ihm sagte. Also lungerte Jack herum, bis er sicher war, dass Vrej nicht die Absicht hatte, sich in die Bucht zu stürzen, und kehrte dann zum Achterdeck zurück, wo die weitere Taktik besprochen wurde.
Sobald das Licht hell genug war zum Sehen, hatten sie die Galiot Richtung Norden gedreht und begonnen, sie aus dieser Bucht hinauszurudern.
Rosetta (oder Rashid, wie al-Ghuráb sie nannte) war so nah gewesen, dass sie bei Anbruch der Morgendämmerung die Muezzins der Stadt hatten rufen hören. Doch der Raïs erklärte, dass sie, um in die Stadt zu gelangen, mehrere Meilen nach Norden bis zur Spitze der Sandbank fahren, dort die Einfahrt in die Flussmündung finden und sich dann ein oder zwei Stunden lang stromaufwärts kämpfen müssten.
Es dauerte nicht lange, bis das französische Kanonenboot in Sicht kam; es war für die Nacht in tiefere Gewässer hinausgesegelt und patrouillierte jetzt vor der Rosettamündung. Zum Glück kam von Südwesten her ein Wind auf, und nachdem sie ein paar
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