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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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zwei der drei Besucher Türken (oder zumindest so gekleidet) waren und dass einer von den beiden ein Janitschar war. Piaster, die in einer Börse klimperten, hoben seine Stimmung noch mehr. Türriegel wurden weggeschoben und die Besucher hereingelassen.
    Die Behausung war sauber und aufgeräumt, roch aber so, als wäre alles, was man je bei sämtlichen Barbieren im Osmanischen Reich vom Boden aufgekehrt hatte, in sein Hinterzimmer gestopft und dort der Reifung überlassen worden. Es wurde Tee aufgebrüht und Tabak herumgereicht. Nach einem etwa halbstündigen Vorgeplänkel boten die Besucher dem Mann ein Geschäft an. Und der willigte, nachdem er seine erste Verblüffung überwunden hatte, ein. Daraufhin wurde ein Junge beauftragt, in Windeseile in die Barbierstraße zu rennen. Während sie warteten, zündete der Perückenmacher ein paar Lampen an und zeigte seine Ware her. Die Endprodukte waren auf Holzköpfe montierte große Perücken, die für den Export nach Europa bestimmt waren; allerdings kamen sie den europäischen Besuchern fast so merkwürdig vor wie einem Araber, denn im Laufe der Jahre, die sie auf Ruderdecks verbracht hatten, hatte die Mode sich geändert: Jetzt waren die Perücken hoch und schmal und nicht mehr flach und breit.
    Weiter hinten im Laden befanden sich die Rohmaterialien, und hier musste eine Auswahl getroffen werden. Selbst das feinste Barbarenpferdehaar war zu grob für das, was sie in dieser Nacht vorhatten. Auf der anderen Seite des Spektrums gab es feine, glänzende Menschenhaare aus China – doch diese hatten die falsche Farbe, und sie zu färben, würde zu viel Zeit kosten.
    Ein verschlafener türkischer Barbier kam herein und machte sich daran, Wasser zu erhitzen und Rasiermesser abzuziehen. Die Kunden entschieden sich für sandfarbenes Ziegenhaar in einer mittleren Preisklasse.
    Kopf und Gesicht des Janitscharen wurden nun von dem Barbier glattrasiert, und der feine Flaum auf den oberen Wangenknochen wurde mithilfe von Turkmenenwatte, die in Weingeist getränkt war, auf dramatisch aussehende, aber schmerzlose Weise weggebrannt. Anschließend wurde der Barbier entlohnt und nach Hause geschickt.
Dann machte sich der Perückenmacher ans Werk, strich die nackte Haut Fleckchen für Fleckchen mit Pinienharz ein und steckte büschelweise Ziegenhaar in das klebrige Zeug. Nach zwei Stunden roch der Janitschar überwältigend nach Ziegen und Pinien und sah aus, als hätte er seit Jahren keine Rasur und keinen Haarschnitt mehr bekommen. Und wenn er bis zur Taille ausgezogen und ein von Peitschenstriemen zerfurchter Rücken sichtbar wurde, hätte jeder ihn eher für einen armseligen Rudersklaven denn einen Janitscharen gehalten.
     
    Wie versprochen oder besser angedroht, kehrte Pierre de Jonzac eine Stunde nach Tagesanbruch ans Nilufer zurück und brachte seine ganze Dragonerschwadron mit. Die Reiter waren am Vortag ungestüm bis an den Rand des Kais galoppiert und wären fast auf die Landungsbrücke hinausgeschossen, keuchend, schweißnass und staubverkrustet wie sie waren, nachdem sie eine Nacht und einen Tag lang die Kanopische Straße hinauf- und hinuntergaloppiert waren, um die Manöver der Galiot zu verfolgen.
    Mit Monsieur Arlanc als Dolmetscher machte Nasr al-Ghuráb de Jonzac Komplimente wegen der prächtigen Erscheinung seiner Person und seiner Truppe an diesem Morgen – es war nämlich ganz offensichtlich, dass die Diener im französischen Konsulat die ganze Nacht mit Bürsten, Schrubben, Stärken und Polieren zugebracht hatten. Der Raïs fuhr fort und entschuldigte sich für den im Gegensatz dazu trostlosen Zustand seines Schiffs und seiner Mannschaft. Manche von ihnen genössen »den Schatten der Reben«, eine poetische Art zu sagen, dass sie im Basar waren (der ein Laubdach aus Weinreben hatte), und Proviant einkauften. Andere »schlürfen Mokka im Hause des Paschas«. De Jonzac betrachtete dies (erwartungsgemäß) als eine schrecklich plumpe Art zu behaupten, dass Mitglieder der Verschwörertruppe sich in dem steinernen Fort aufhielten, das die Türken erbaut hatten, um den Fluss zu kontrollieren, und die Beamten mit Bakschisch überhäuften. Das Fort lag nahe genug, um sie buchstäblich zu überschatten, und prachtvolle Janitscharen in großer Zahl spähten von seinen Zinnen herunter und warfen kalte, fachkundige Blicke auf die französischen Dragoner. Der springende Punkt war, dass Rosetta ganz anders war als Alexandria; hier hatten die Franzosen zwar ein Konsulat und

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