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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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das offene Tor eine Vorhut aus Schweizer Söldnern in den Hof einritt, gefolgt von einer Schwadron adeliger Offiziere und schließlich der vergoldeten Kutsche Ludwigs XIV., die den Hof erleuchtete wie der Wagen des Apoll.
     
    Wo auch immer sich Étienne gerade befand (vermutlich an der Tür zum Ballsaal), er konnte sich endlich entspannen, denn vieles, was ihn beunruhigt haben musste, hatte sich in diesen wenigen Momenten geklärt. Sein Vater war nach Hause gekommen. Die peinlichen Fragen danach, wo der Großadmiral von Frankreich in dieser Zeit der Not steckte, würden ein Ende haben. Fast noch wichtiger war, dass die Gesellschaft jetzt einen Ehrengast hatte; somit würden die vielen Gäste, die gekommen waren, nicht enttäuscht nach Hause gehen. Am allerwichtigsten aber war, dass der König gekommen war, und zwar als Letzter.
    Im Gegensatz dazu musste sich Eliza um so viele Dinge Sorgen machen, dass sie fast den Überblick verlor. Sie ließ de Gex und Rossignol weit zurück, während sie sich zwischen Dienern und Höflingen hindurch einen Weg in Richtung Ballsaal bahnte.
    Sie machte sich Vorwürfe, dass sie eine Phiole mit Gift in ihrem Taillenband herumtrug. Dummheit! Dummheit! Sie konnte es nicht einmal mehr benutzen, ohne von d’Avaux unter Feuer genommen zu werden! Es war also mehr als wertlos. Nie war ihr in den Sinn gekommen, dass sie das verdammte Ding ständig bei sich tragen musste. Wenn sie es in einer Schublade ließe, könnte jemand durch Zufall oder durch Schnüffelei darauf stoßen. Sie trug die Phiole erst seit ein paar Stunden bei sich, aber sie hätte sie mit Freuden gegen eine Tracht Feuerholz eingetauscht. Das Fläschchen schien ihr den Bauch zu verbrennen, und sie hatte sich angewöhnt, alle paar Sekunden nervös danach zu tasten. Und für diese nutzlose Bürde hatte sie sich auf irgendeine unbestimmte Weise in die Hände der Herzogin von Oyonnax begeben.
    Doch im Vergleich mit dem, was sie gerade über die fünf Jahre zurückliegenden Heldentaten von Jack Shaftoe in diesem Haus – nein, in diesem Raum (denn sie hatte inzwischen den Ballsaal betreten) – gehört hatte, war die Sache mit dem Gift, was möglichen Ärger für Eliza anging, ein Klacks.
    Als vor einigen Momenten die Kutschen des Herzogs und des Königs
auf den Hof gefahren waren, war Eliza aus der Bibliothek geflitzt, ehe de Gex oder Rossignol ihr den Arm anbieten konnten. Sie hatte dies getan, weil sie ein Paar Momente für sich allein brauchte, um nachzudenken – um sich ins Gedächtnis zurückzurufen, was alles passiert war, seit sie Jack 1683 in den Tunneln unter Wien kennen gelernt hatte, und sich zu fragen, wer wohl wissen könnte, dass sie einmal mit L’Emmerdeur in Verbindung gestanden hatte.
    Leibniz wusste es, aber er war diskret. Das Gleiche galt für Enoch Root. In Leipzig waren Jack und Eliza von mehreren Leuten zusammen gesehen worden, die jedoch beim französischen Adel wohl allesamt nicht als glaubwürdig galten. Der mächtigste und einflussreichste Mensch, der sie zusammen gesehen hatte – und bei der Erinnerung daran spürte Eliza die Hitze in ihr Gesicht schießen wie Dampf aus einem Kessel, dessen Deckel man anhebt -, war Lothar von Hacklheber, der vom Balkon des Hauses vom Goldenen Merkur in Leipzig auf sie herabgeschaut hatte. Jack hatte direkt neben ihr gestanden und sich als Diener, als Träger ausgegeben. Unwahrscheinlich, dass selbst Lothar eine solche Gestalt mit L’Emmerdeur in Verbindung bringen würde.
    Danach waren sie nach Amsterdam gereist. Ein paar Holländer hatten sie zusammen gesehen. Doch auch sie hatten keinen Grund zu der Annahme gehabt, dass der ungehobelte Klotz, den man manchmal in Gesellschaft von Eliza sah, der legendäre König der Landstreicher war. Nicht lange danach war Jack nach Paris gegangen. Erst da war er für diese Leute wirklich berühmt geworden. Er war auf einem Pferd in diesen Saal geritten, hatte die Gesellschaft des Duc d’Arcachon ruiniert, war aus Paris geflohen und hatte irgendwann nach Amsterdam zurückgefunden – wo er Eliza in ihrem Lieblingskaffeehaus aufgespürt hatte. Sie hatten eine ganze Stunde miteinander verbracht – eine Stunde, die in einer unschönen Szene am Heringspacker-Turm kulminierte, kurz bevor Jack zu der Sklavenhandelsreise aufgebrochen war, von der er niemals zurückkehren konnte, eine Szene, deren Einzelheiten sich Eliza nicht ins Gedächtnis zurückrufen mochte. Mittlerweile war er natürlich schon seit Jahren tot. Aber das war nicht

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