Confusion
einer geordneten Streitmacht zu formieren. Die Regimenter – zehntausend Franzosen und ebenso viele Iren, Letztere aus Limerick evakuiert, waren natürlich nicht so beweglich wie die Schiffe und hatten daher den ersten Anspruch auf Gelände, Nahrungsmittel, Brennholz, Huren und andere militärische Unerlässlichkeiten in der unmittelbaren Umgebung von Cherbourg. Demzufolge waren die Schiffe der Kanalflotte und die Galeeren der Mittelmeerflotte, die kürzlich zwischen
den Herkulessäulen hindurchgefahren und Richtung Norden gesegelt waren, um an der Invasion teilzunehmen, in Kanalhäfen in Reichweite stationiert: Deren wichtigste waren Le Havre und St. Malo. Le Havre lag doppelt so nahe bei Paris und war von dort aus hundert Mal leichter zu erreichen, da die Seine die beiden Städte miteinander verband. Bestimmt fanden in diesem Augenblick in vornehmen Châteaux um Le Havre viel größere und elegantere Gesellschaften statt. St. Malo war im Gegensatz dazu kaum mit Frankreich verbunden. Ein tüchtiger Marschierer wie Sergeant Bob Shaftoe konnte auf dem Landweg dorthin kommen, aber für Normalsterbliche empfahl sich eine solche Reise nicht; jedermann kam auf dem Seeweg nach St. Malo. Die Familie de Lavardac unterhielt dort schon lange ein Château, das auf einer Seite einen Blick über den Hafen bot und nach hinten hinaus über Meierhöfe und eine ausgezeichnete potagerie verfügte. Das Glück war der Familie hold gewesen, das Haus war zum prächtigsten in St. Malo geworden, und der frühere Duc d’Arcachon war gern hierhergekommen, mit einem goldenen Fernrohr auf der Terrasse hin und her gegangen und hatte auf seine Kaperflotte hinabgeschaut. Eliza hatte viel von dem Ort gehört. Da sie jedoch den größten Teil ihres Ehelebens schwanger in La Dunette zugebracht hatte, hatte sie ihn erst vor einem Monat zu Gesicht bekommen. Aber sie hatte sich sofort in ihn verliebt und wünschte, sie könnte das ganze Jahr über hier leben.
Das erstaunliche Erscheinen von Bob Shaftoe – der zusammen mit seinem Regiment aus dessen Winterquartier oberhalb von Brest auf dem Weg nach Cherbourg direkt daran vorbeimarschiert war – hatte die erste Woche ihres Aufenthalts hier belebt. Sein Wiederholungsbesuch vergangene Woche hatte sie gezwungen, ihre eingerosteten Fähigkeiten als Ränkeschmiedin und Intrigantin wieder in Gebrauch zu nehmen, da es für eine französische Gräfin und stillende Mutter keinerlei schickliche, sanktionierte Art gab, mit einem englischen Sergeanten und wahrscheinlichen Spion zusammenzutreffen, der zufällig auch noch der Bruder des infamsten Schurken in der Christenheit war.
Eliza und Étienne, der kleine Lucien und ihr Haushalt waren vierzehn Tage vor der Mittelmeerflotte in St. Malo angekommen. In jüngster Zeit waren weitere Kriegsschiffe aus Brest, Lorient und St. Nazaire eingetroffen. Alle diese Galeeren und Schiffe hatten Offiziere, die oft von Adel waren. Entsprechend gewaltig waren die gesellschaftlichen Verpflichtungen, die dem Duc und der Duchesse d’Arcachon daraus
erwuchsen. Eine andere Herzogin hätte diese Verpflichtungen genauso willkommen geheißen, wie ein General einen Krieg oder ein Architekt den Auftrag zum Bau einer Kathedrale willkommen hieß. Eliza delegierte die gesamte damit verbundene Arbeit an Frauen, die dergleichen tatsächlich genossen (sie hatte von der vorherigen Duchesse d’Arcachon umfangreiches Haushaltspersonal geerbt). Ihre alten getreuen Helferinnen wie Brigitte und Nicole und ein paar pensionierte Freibeuter, die Jean Bart ihr zugeteilt hatte, behielt sie in ihrer Nähe. Die Schar von Emporkömmlingen, die sich im Gefolge ihrer Heirat mit Étienne eingestellt hatten, durfte sich bei der Vorbereitung von Gesellschaften nützlich machen, was ihnen eine Beschäftigung gab und sie zwar nicht glücklich machte, aber mit Gefühlen erfüllte, die sie mit Glück zu verwechseln pflegten.
Eliza musste sich also lediglich ankleiden, erscheinen, sich bemühen, die Namen der Gäste nicht zu vergessen, und Konversation machen. Wenn sie sich unerträglich zu langweilen begann, behauptete sie, sie höre Lucien schreien, und machte sich in die Privatgemächer im anderen Flügel des Château davon.
Und so besaß an ihrer derzeitigen Situation – das heißt dass sie an einem Bassett-Tisch saß und ihrem Mann dabei zusah, wie er Karten an müßige Adelige austeilte – einzig und allein die Tatsache, dass der Mann, der ihr unmittelbar gegenübersaß, von ungeheurer Bedeutung war,
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