Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
Vom Netzwerk:
welchem Falle Ihr vielleicht wünscht, Ihr hättet es heute verkauft. Leider ist es mir nicht möglich, Euch in dieser Angelegenheit zu raten.
    Mein Advokat in Versailles ist Monsieur Ladon, und ich habe ihn wissen lassen, dass er in dieser Sache vielleicht von Euch hören wird. Er ist in solchen Transaktionen sehr bewandert, da er, wie ich bereits erwähnte, über achtzig davon durchgeführt hat. Wenn Ihr fortzufahren beschließt, wird er dafür sorgen, dass alle erforderlichen Papiere etc. korrekt aufgesetzt werden.
    Abschließend möchte ich Euch erneut für Eure Hilfe bei der Versendung der Briefe nach England danken. Ich werde in naher Zukunft wahrscheinlich noch weitere schicken müssen; doch nun, da Ihr mir gezeigt habt, wohin ich mich zu wenden habe, und mich den richtigen Männern vorgestellt habt, müsste mein Personal, zu dem auch einige alte Marinesoldaten aus der Gegend von Dünkirchen zählen, wissen, was zu tun ist.
    Eliza, Duchesse d’Arcachon

Café Esphahan, Rue de l’Orangerie, Versailles
    26. APRIL 1692
    »Ihr habt jemand anderen erwartet? Schon gut, Madame, ich auch.«
    So stellte sich Samuel Bernard Eliza vor, warf ihr die Worte quer durch das Café zu, während er sich einen Weg zu ihrem Tisch bahnte.
    Indem sie die Zusammenkunft in einem Kaffeehaus in der Stadt und nicht im Salon eines Châteaus vereinbart hatte, hatte sie bereits mehrere Tage Einladungsformalien und vorbereitende Manöver eingespart. Nicht einmal mit diesem Effizienzgrad zufrieden, hatte Bernard nun auch noch eine halbe Stunde Einleitungsfloskeln abgezwackt, indem er mitten ins Gespräch hineinsprang, ehe er auch nur ihren Tisch erreicht hatte. Er kam heran, als hätte er vor, sie zu verhaften. Köpfe wandten sich ihm zu, erstarrten und wandten sich dann
ab; wer gaffen wollte, schaute zum Fenster hinaus und begaffte Bernards Kutsche und seinen Trupp Musketen tragender Leibwächter.
    Bernard ergriff Elizas Hand, als wäre sie ein ihm hingeworfener Fehdehandschuh. Er schob ein Bein nach vorn, um einen guten Stand zu haben, beugte sich tief herab, pflanzte einen festen, trockenen Schmatz auf ihre Knöchel und schimmerte. Schimmerte, weil in den dunklen Stoff seiner Weste Goldfäden eingewirkt waren. »Ihr dachtet, ich wäre Jude«, sagte er und setzte sich.
    »Und wofür habt Ihr mich gehalten, Monsieur?«
    »Was soll das? Ihr kennt die Antwort bereits. Ihr denkt bloß nicht nach! Ich werde Euch helfen. Warum habt Ihr geglaubt, ich wäre Jude?«
    »Weil alle das sagen.«
    »Aber warum ?«
    » Sie irren sich.«
    »Doch wenn ansonsten gut informierte Menschen sich irren, dann liegt das daran, dass sie sich irren wollen, nicht?«
    »Ich denke, das ist logisch.«
    »Warum sollten sie sich in Bezug auf mich – oder Euch – irren wollen?«
    »Monsieur Bernard, es ist sehr lange her, dass ich ein Gespräch so flott begonnen habe! Lasst mich einen Moment zu Atem kommen. Möchtet Ihr etwas bestellen? Nicht, dass Ihr weitere Anregung nötig hättet.«
    »Ich nehme Kaffee!«, rief Bernard einem armenischen Jungen mit Flaum auf der Oberlippe zu, der wie ein Türke gekleidet war und sich, angetrieben von angelegentlichen Blicken und leichtem Fingerschnipsen des Eigentümers Christopher Esphahnian, doch zugleich eingeschüchtert von Bernard, seit geraumer Weile auf sie zuschob. Nun eilte der Garçon nach hinten, erleichtert darüber, Anweisungen bekommen zu haben. Bernard blickte sich um. »Fast könnte ich glauben, ich wäre in Amsterdam«, bemerkte er.
    »Aus dem Munde eines financier ist das eine Schmeichelei«, sagte Eliza. »Doch ich glaube, die Absicht des Inneneinrichters bestand eher darin, Euch glauben zu machen, Ihr wärt in der Türkei.«
    Bernard schnaubte. »Funktioniert das bei Euch etwa, Madame?«
    »Nein, denn ich bin in den Kaffeehäusern von Amsterdam gewesen und teile Eure Ansicht.«
    »Ihr sagt nicht, dass Ihr in der Türkei gewesen seid.«

    »Muss ich das denn? Oder haben es andere für mich gesagt?«
    Bernard lächelte. »Womit wir wieder bei unserem Thema wären! Von mir sagen die Leute, ich sei ein Jude, und von Euch, Ihr wärt eine Odaliske, vom Großtürken als Spionin hierhergeschickt...«
    »Das sagt man!?«
    »Ja. Warum?«
    Das Gute an Bernard war, dass er, wenn er etwas Unangenehmes sagte, gleich darauf zu etwas anderem überging. Eliza beschloss, dass es besser wäre, sich seinem Tempo anzupassen, als sich bei der Sache mit ihr und dem Großtürken aufzuhalten. »Das Einzige, was wir beide nach meinem

Weitere Kostenlose Bücher