Confusion
Bonaventure Rossignol und ließ die schwarzen Augen hin und her huschen, um festzustellen, ob jemand zuhörte.
»Und als ich bei St. Diziers in große Schwierigkeiten geriet, wer hat da als Erster davon erfahren?«
»Dieser Bursche, der jedermanns Post liest. Bonaventure Rossignol.«
»Und wer kam mir durch halb Frankreich im Galopp zu Hilfe, reiste mit mir nach Nijmwegen und brachte mich auf ein Boot?«
»Bon...«
»Halt. Der Name ist schön und vornehm. Aber ich nenne ihn lieber Bon-bon.«
»Na schön, dann also Bon-bon.«
»Wer hat an den Ufern der Meuse mit mir geschlafen?«
»Étienne de Lavardac.«
»Wer noch?«
»Bon-bon.«
»Wer half mir, meine Spuren zu verwischen, fälschte Dokumente und belog den König und d’Avaux?«
»Bon-bon.«
»Und wer ist der Vater meines Erstgeborenen?«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Nur weil Ihr es vermieden habt, ihn anzusehen, als Ihr Gelegenheit dazu hattet. Aber ich sage Euch, Jean-Jacques sieht Bon-bon sehr ähnlich – in ihm ist keine Spur vom verdorbenen Blut der de Lavardacs. Ihr seid der Vater, Bon-bon.«
»Worauf wollt Ihr hinaus?«
»Nur darauf, dass es absurd ist, dass Ihr auf diesen Samuel Bernard eifersüchtig seid. Was auch immer sich zwischen ihm und mir in geschäftlicher
Hinsicht abspielt, ist nichts im Vergleich mit dem Abenteuer, das wir miteinander erlebt haben, und mit unserem gemeinsamen Sohn.«
»Bon-bons« Aufmerksamkeit hatte sich auf das Bild einer berühmten Moschee mit vielen Kuppeln verlagert, das eine Wand hinter Eliza zierte. »Ihr erinnert mich an Dinge, die ich ansonsten vergessen würde. Ich hätte es besser machen können.«
»Unsinn!«
»Ich hätte Euch vollständig vom Vorwurf der Spionage entlasten können.«
»Rückblickend gesehen, vielleicht. Aber eigentlich glaube ich, dass sich alles zum Besten entwickelt hat.«
»Je nun... Ihr seid mit einem Mann verheiratet, den Ihr nicht liebt, und Jean-Jacques wird von einem geistesgestörten sächsischen Bankier gefangen gehalten.«
»Aber das ist noch nicht das Ende der Geschichte, Bon-bon. Wir haben uns heute hier getroffen, um die Geschichte weiterzutreiben.«
»Ja. Und die Wahl des Treffpunktes ist interessant«, sagte Rossignol, beugte sich weit über den Tisch und senkte die Stimme so sehr, dass Eliza fast die Stirn an seine legen musste, um ihn verstehen zu können. »Wisst Ihr, seit zwei Jahren lese ich jedes Fitzelchen der Post dieser Leute, aber ihre Gesichter habe ich nie gesehen und schon gar nicht ihren Kaffee getrunken.«
»Mögt Ihr ihn?«
»Er schmeckt sicherlich eine Nuance besser als das übliche Spülicht«, sagte Rossignol, »aber aufgrund seiner Vorzüge als Getränk wäre er niemals so schick, wenn Ihr und Madame la Duchesse d’Oyonnax nicht immerzu sein Loblied singen würdet.«
»Seht Ihr? Es gibt nichts, was ich im Dienst der Kryptologie nicht tun würde«, sagte Eliza mit einem Lächeln, breitete die Hände aus und forderte Rossignol damit auf, die Pracht des Café Esphahnian zu würdigen. »Habt Ihr kürzlich irgendetwas erfahren?«
»Dies ist weder der Ort noch die Zeit, um darüber zu sprechen! Aber nein«, sagte Rossignol. »Ich war viel stärker damit beschäftigt, Eure Post zu lesen.«
»Gibt sie eine interessante Lektüre ab?«
»Ein bisschen zu interessant. Zu Lothar sagt Ihr: ›Die Invasion Englands wird mit Sicherheit abgeblasen‹, während Ihr zu irgendeinem
financier in Lyon sagt: ›Die Invasion wird bald stattfinden, und wir müssen die Truppen bezahlen!‹«
»Ihr wisst noch nicht einmal die Hälfte.«
»Ich mache mir Sorgen, dass Ihr dabei seid, erneut in Schwierigkeiten zu geraten, und ich wieder von hier nach da galoppieren, Dokumente fälschen und wichtige Leute belügen muss... Was ich alles mit Freuden tun würde!«, fügte er hastig hinzu, da auf Elizas Gesicht die ersten Anzeichen eines Schmollens erschienen. »Aber ich halte es für ein Wunder, dass Euch die maßgeblichen Stellen die erste Spionage- und Lügenrunde vergeben haben. Wenn Ihr es noch einmal macht...«
»Eure Interpretation ist völlig falsch«, sagte Eliza. »Es gab keine Vergebung, sondern eine ökonomische Transaktion. Und ich bin auch nicht ungeschoren davongekommen, wie Ihr Euch einzubilden scheint, sondern habe einen so schrecklichen Preis bezahlt, dass Ihr ihn wohl niemals ermessen könnt. Euch scheint es vielleicht, als stürzte ich mich wieder in ein Meer von Intrigen, von dem ich mich ein paar Jahre – geruhsame Jahre für Euch, Bon-bon!
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