Confusion
oder lieber nach Amerika segeln und stattdessen dieses erobern sollen. Es bleiben ihnen noch gut acht, neun Monate Zeit, sich zu entschließen, da Marschall Schomberg – der General, dem König Wilhelm den Oberbefehl über diese Armee gegeben hat – keinen rechten Plan hat und beabsichtigt, sich den ganzen Winter hier in Dundalk aufzuhalten.
Hier also bin ich zu erreichen, falls ich nicht an Pestilenz, Hunger oder Langeweile sterbe.
Euer untertänigster und gehorsamster Diener
Bob Shaftoe
Residenz des Marquis und der Marquise d’Ozoir in Dünkirchen
21. OKTOBER 1689
Bonaventure Rossignol hatte selbst für einen Kryptologen viele exzentrische Züge, doch keiner war auffälliger als seine Neigung, allein in die Stadt galoppiert zu kommen, wenn er am dringendsten gebraucht und am wenigsten erwartet wurde. Er hatte es schon vor dreizehn Monaten getan, weil er wusste (denn er wusste alles), dass Eliza an den Ufern der Meuse in Gefahr war. Der vier Monate alte Säugling, den sie in den Armen trug, war Beleg dafür, wie sehr die Sache ihre Leidenschaften in Wallung gebracht hatte. Nun war er wieder da, windgezaust, schlammbespritzt und in einem Maße nach Pferd riechend, das für einen Höfling des Königs unschicklich, ja vollkommen unmöglich war; doch Eliza fühlte sich plötzlich, als hätte sie sich gerade in eine Pfütze warmen Honig gesetzt. Sie schloss die Augen, holte Luft, ließ sie langsam entweichen und drückte ihm ihre Last in die Arme.
»Mademoiselle, bis zu diesem Augenblick war ich der Meinung, Euer jüngster Brief an mich sei die exquisiteste Koketterie, die der menschliche Verstand nur ersinnen könne«, sagte Rossignol, »doch nun sehe ich, dass es sich lediglich um ein Vorspiel zur köstlichen Qual der drei Bündel handelte.«
Dies ließ – wie von ihm vorausgesehen – ihren Kopf herumschnellen, weil es eine Art Rätsel war.
Rossignol hatte kohlschwarze Augen. Er war hager und galt bei den meisten Damen des Hofes als unattraktiv. Dünn wie eine Reitgerte, wirkte er in Hofkleidung peinlich; doch mit seinem dank dem Überrock gesteigerten Körperumfang und dem vom Meereswind gerötetem Gesicht sah er für Eliza durchaus gut aus. Die schwarzen Augen warfen einen kurzen Blick auf das in eine Decke gehüllte Wesen, das sie ihm in die Arme gedrückt hatte, und huschten dann zu einem Wandtisch, auf dem ein verschnürtes Paket aus schimmeligem Zelttuch lag. Zwei kompakte kleine Bündel. Dann schließlich begegnete sein Blick einen Moment lang dem von Eliza – sie sah ihn über die
Schulter an – und glitt langsam ihren Rücken hinab, um auf ihrem Hintern zu verweilen.
»Als Ihr das letzte Mal so zu meiner Rettung herbeigaloppiert kamt«, sagte sie, »musstet Ihr Euch nur mit einem Bündel auseinandersetzen: also eine einfache Angelegenheit, mit der fertig zu werden Ihr Manns genug wart.« Nun senkte sich ihr Blick unvermittelt auf das Bündel in Rossignols Armen, das etwas geronnene Milch auf seinen Ärmel würgte, hustete und zu schreien begann. »Mit dem Älterwerden wächst die Anzahl unserer Bündel«, fügte sie hinzu, »und wir werden zwangsläufig alle zu Jongleuren.«
Rossignol starrte mit so etwas wie naturphilosophischer Distanziertheit auf das klebrige Rinnsal von Säuglingserbrochenem, das in eine Falte seines Ärmels einsickerte. Sein Sohn stieß ein Heulen aus; der Vater zuckte zusammen und wandte den Kopf ab. Eine Tür am anderen Ende des Zimmers wurde aufgerissen, und eine Frau stürmte herein, die schon nach dem Baby gurrte; dann sah sie den fremden Mann, blieb jählings stehen und blickte Eliza an. »Bitte, Mademoiselle, nur keine Scheu«, sagte Rossignol und streckte die Arme aus. Er hatte die Frau noch nie gesehen und hatte keine Ahnung, um wen es sich handelte, aber es brauchte keinen königlichen Kryptoanalytiker, um die Situation zu deuten: Eliza hatte, obwohl ohne Geldmittel in Dünkirchen festgehalten, nicht nur eine Möglichkeit gefunden, in dieses leerstehende Schloss einzuziehen, sondern es war ihr auch gelungen, mindestens eine fähige, loyale und vertrauenswürdige Dienerin anzuwerben.
Nicole – denn so hieß die Frau – rührte sich nicht, bis sie Eliza nicken sah. Dann trat sie vor und riss den Säugling mit einem funkelnden Blick auf Rossignol an sich – dieser antwortete mit einer gemessenen Verbeugung. Bis sie die Zimmertür erreicht hatte, war das Schreien des Knaben verstummt, und während sie mit ihm den Korridor entlang davoneilte, gab er ein
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