Confusion
vom letzten Jahr; doch d’Avaux war seither in Dublin gewesen, für ihn entsprach es also der neuesten Mode. Und es war Eliza zu groß, doch mit einigen kunstfertig gesetzten Stecknadeln und Heftstichen am Rücken würde es seinen Zweck erfüllen, solange sie nicht aufstand. Und sie hatte nicht die Absicht, für d’Avaux aufzustehen. Sie setzte sich, ein wenig steif, in einem Lehnsessel zurecht und unterhielt sich sotto voce mit Bonaventure Rossignol. Denn Bart und d’Avaux hatten von Barts Flaggschiff aus nur ein paar Minuten gebraucht,
um dieses Haus zu erreichen, und man ließ sie in einem anderen Zimmer warten, das so nahe war, dass Barts hin und her gehende Schritte und d’Avaux’ Schniefen (er hatte sich unterwegs einen Schnupfen geholt) deutlich zu hören waren.
Rossignol hatte mittlerweile Zeit gehabt, die gestohlenen Briefe durchzusehen. Einige davon überreichte er Eliza, die sie so auf ihrem Schoß zurechtlegte, als hätte sie darin gelesen. Den Rest nahm er, zumindest vorläufig, mit. Er zog sich in einen anderen Teil des Hauses zurück, weil er von d’Avaux nicht gesehen werden wollte. Ein paar Minuten später gab Eliza Anweisung, den Besucher vorzulassen. Die Möbel waren so umgestellt worden, dass die Sonne von der Seite grell in d’Avaux’ Gesicht schien. Eliza saß mit dem Rücken zu einem der Fenster.
»Seine Majestät hat mich in sein Château zu Versailles rufen lassen, damit ich über den Fortgang des Feldzuges berichte, den Seine Majestät der König von England führt, um dem Usurpator jene Insel zu entreißen«, begann d’Avaux, sobld man die Eröffnungsfloskeln hinter sich gebracht hatte. »Der Prinz von Oranien hat einen Marschall Schomberg ausgesandt, um bei Belfast gegen uns zu fechten, doch dieser ist furchtsam oder lethargisch oder beides, und es scheint, dass er dieses Jahr nichts unternehmen wird.«
»Eure Stimme ist heiser«, bemerkte Eliza. »Ist das eine Erkältung, oder habt Ihr viel geschrien?«
»Ich habe keine Scheu, gegenüber Tieferstehenden meine Stimme zu erheben. In Eurer Gegenwart, Mademoiselle, werde ich mich geziemend betragen.«
»Heißt das, Ihr beabsichtigt nicht mehr, mich in einem Sack voller Katzen über heißen Kohlen baumeln zu lassen?« Eliza drehte einen von d’Avaux geschriebenen Brief um, in dem dieser angeregt hatte, dass das die angemessenste Behandlung für Spione sei.
»Mademoiselle, dass Ihr mit Iren gemeinsame Sache macht, um in mein Haus einzudringen und es zu plündern, verschlägt mir die Sprache. Es gibt vieles, was ich Euch verzeihen würde. Aber dass Ihr die Unverletzlichkeit der Residenz eines Botschafters – des Hauses eines Edelmanns – verletzt und einen Diebstahl begeht, lässt mich befürchten, dass ich Euch überschätzt habe. Denn ich habe geglaubt, Ihr könntet für adlig gelten. Doch was Ihr getan habt, ist gewöhnlich.«
»Diese Unterscheidungen, die Ihr da trefft, zwischen adelig und gewöhnlich, zwischen dem Schicklichen und dem Unschicklichen, erscheinen
mir ebenso willkürlich und sinnlos, wie Euch das Kastenwesen und die Sitten der Hindus erscheinen würden«, gab Eliza zurück.
»Aber sie sind ja gerade wegen ihrer Irrationalität, ihrer Willkürlichkeit, so subtil«, korrigierte d’Avaux sie. »Wenn die Sitten des Adels sinnvoll wären, könnte jedermann sie durchschauen und selbst adlig werden. Doch weil sie unstimmig und sinnlos sind, und zudem noch in ständigem Wandel begriffen, besteht die einzige Möglichkeit, sie zu kennen, darin, dass man sie eingeimpft bekommt, sie durch die Haut aufnimmt. Das macht sie zu einer Währung, die fast unmöglich zu fälschen ist.«
»Also wie Gold?«
»Ganz ähnlich, Mademoiselle. Gold ist überall Gold, fungibel und indifferent. Doch wenn ein Münzer einer Scheibe Gold bestimmte hochtrabende Worte und das Bildnis eines Königs aufprägt, gewinnt sie einen zusätzlichen Wert – den Schlagschatz. Sie besitzt diesen Wert nur insofern, als die Menschen daran glauben – es handelt sich um eine gemeinsame Phantasie. Ihr, Mademoiselle, seid als blanke Scheibe Gold zu mir gekommen...«
»Und Ihr, Monsieur, habt versucht, mir Adel aufzuprägen, um meinen Wert zu erhöhen...«
»Andererseits aber«, sagte er mit einer Handbewegung zu dem Brief hin, »erweist Ihr Euch durch den Diebstahl in meinem Haus als Fälschung.«
»Was, glaubt Ihr, ist schlimmer? Spionin des Prinzen von Oranien oder eine falsche Gräfin zu sein?«
»Fraglos Letzteres, Mademoiselle, denn die Spionage
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